Rz. 102

Der Maßstab der "societatis causa" scheint ein subjektives Element zu enthalten. Indem auf die "Veranlassung" abgestellt wird, und damit auf die Finalität, d. h. die Zielgerichtetheit des Handelns der Organe der Gesellschaft, scheint die Motivation des Handelnden bzw., bei einer Leistungsbeziehung, die Motivation von Leistendem und Leistungsempfänger maßgebend zu sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die "causa" (Veranlassung) ist von den Motiven eines oder aller Beteiligten zu unterscheiden. "Veranlassung" ist der Rechtsgrund der Leistung, wie er sich aus den Erklärungen des Leistenden und dem Gesamtverhalten der Beteiligten unter Wertung der maßgebenden Umstände ergibt. Damit beruht die Veranlassung zwar auf dem Willen der Leistenden bzw. dem Ziel, das mit der Handlung verfolgt wird. Erfasst wird aber nur dasjenige, was nach außen durch Erklärungen, objektiven Sinngehalt und Gesamtverhalten des Stpfl. in Erscheinung getreten und damit objektiv Bestandteil der Leistungsbeziehung geworden ist. Diese "Veranlassung" als zielgerichtetes Handeln ist damit ein objektivierter, in der Außenwelt in Erscheinung getretener Sachverhalt, der durch Wertung und Auslegung festzustellen ist.[1]

 

Rz. 103

Damit gehört es weder zum Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung (d. h. zum Begriff der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung), dass der Handelnde die Absicht oder das Bewusstsein hatte, im Interesse des Gesellschafters zu handeln und damit Gewinn verdeckt zu verteilen, noch ist eine Einigung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger darüber erforderlich, dass die Zuwendung mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis erfolgen soll. Die Beteiligten müssen weder den Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung kennen noch ihre Leistungsbeziehung zutreffend würdigen.[2]

 

Rz. 104

Allerdings hat der BFH entschieden, dass der Geschäftsleiter sich zumindest der Möglichkeit bewusst sein müsse, dass sein Handeln im Interesse des Gesellschafters erfolge und daher eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliege.[3] Er muss also bei objektiver Betrachtungsweise einen "finalen Zuwendungswillen" in Richtung auf einen Vermögenstransfer zulasten der Gesellschaft und zugunsten des Gesellschafters haben.[4] Die Auffassung des BFH bedeutet, dass keine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliegt, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht erkennen konnte, dass er im Interesse des Gesellschafters, und daher auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, handelte. Wenn er dies nicht erkennen konnte und damit auch keinerlei Zuwendungswillen zugunsten des Gesellschafters hatte, ist damit gleichzeitig gesagt, dass er die entsprechende Handlung auch einem unabhängigen Dritten gegenüber vorgenommen hätte, sie also dem Drittvergleich standhält und nicht auf gesellschaftsrechtlichen Grundlagen beruht.[5] Ein solcher Fall wird jedoch nur ausnahmsweise vorliegen. Denkbar sind Fälle des Tatsachen- und Rechtsirrtums, die auf Handeln der Mitarbeiter zurückzuführen sind, sowie Fälle des Irrtums des Geschäftsführers, denen er auch in einem Drittgeschäft unterlegen sein könnte.[6] Auf die Frage, ob der Irrtum "entschuldbar" ist, kommt es m. E. nicht an, sondern nur darauf, ob ein solcher Irrtum auch gegenüber einem Dritten denkbar gewesen wäre. Grobe Fehler können auch bei betrieblicher Veranlassung unterlaufen. Allerdings kann sich bei einem unentschuldbaren Fehler die Frage der verdeckten Gewinnausschüttung dann stellen, wenn die Kapitalgesellschaft den Geschäftsführer nicht in Regress nimmt.

 

Rz. 104a

Ein grober Irrtum, der einem Geschäftsführer in eigener Sache unterläuft, wird immer zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen, da der Geschäftsführer seine eigenen Verhältnisse kennen muss.

 

Rz. 104b

Keine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nach diesen Grundsätzen vor, wenn sich der Geschäftsführer auf ein Drittgutachten verlassen hat und auch verlassen konnte. Dann beruht sein Handeln nicht auf gesellschaftsrechtlichen Gründen.[7]

 

Rz. 105

Diese Grundsätze gelten auch, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten einer nahestehenden Person erfolgt. Es genügt, wenn die Handlung der Körperschaft zuzurechnen ist[8] und der Rechtsgrund der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung bei objektiver Betrachtung im Gesellschaftsverhältnis liegt, d. h. die Minderung der Einkünfte ohne die Gesellschafterstellung und die Beziehung des Gesellschafters zu der nahestehenden Person nicht vorgenommen worden wäre. Es genügt, wenn der Geschäftsführer den Zuwendungswillen in Richtung auf einen Vermögenstransfer zulasten der Gesellschaft und zugunsten der nahestehenden Person hatte.[9] Ein subjektiver "Zuwendungswille" des Gesellschafters an die nahestehende Person oder ähnliche subjektive Merkmale in der Person des Gesellschafters sind nicht erforderlich.

 

Rz. 105a

Auch wenn die Veranlassung ein objektiver Maßstab ist, ist für ihn von erheblicher Bedeutung, welche Ziele die Parteien mit der jeweiligen Vereinbarung verfolgt haben. Dies i...

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