Rz. 436

S. 7 dehnt den Anwendungsbereich der Regelungen der S. 4–6 über Forderungen hinaus auf Rechtshandlungen aus, die einer Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbar sind.

Voraussetzung ist, dass eine Rechtshandlung vorliegt, also eine Handlung (Willenserklärung), die Rechtswirkungen hervorruft. Kennzeichen einer Rechtshandlung ist, dass sie rechtlich erzwingbare Rechte bzw. Pflichten begründet. Auf bloße tatsächliche Beziehungen wird die Regelung nicht ausgedehnt, etwa die Geschäftspolitik, Tochtergesellschaften in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu sanieren, oder den tatsächlichen "Rückhalt im Konzern". Aus der Rechtshandlung muss eine "Forderung" resultieren, also eine Beziehung, bei der der Gläubiger berechtigt ist, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern.[1]

 

Rz. 437

Diese Beziehung muss einer Darlehensgewährung vergleichbar sein, also darauf zielen, dem Schuldner eine Geldsumme auf Zeit zu überlassen, um dessen Finanzbedarf zu decken. Hierunter fallen alle Kapitalüberlassungen, die keine "Darlehen" sind. Das betrifft etwa die typische stille Gesellschaft, die Leihe von Geld (zinsloses Darlehen) und nicht beteiligungsähnliche Genussrechte. Weiterhin betroffen sind kurzfristige Forderungen, wenn sie nicht mehr auf sofortige Bezahlung gerichtet sind, etwa Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder Mietforderungen, die längerfristig gestundet werden.[2] Maßgeblich ist, ob die Zahlungsvereinbarung (Stundung) darauf gerichtet ist, dem Schuldner die Deckung seines Finanzbedarfs zu ermöglichen.[3] Solange die Forderung in marktüblicher Weise auf baldige Zahlung gerichtet ist, greift S. 4, 7 nicht ein.

 

Rz. 438

Forderungen, die wirtschaftlich einer Darlehensgewährung vergleichbar sind, können aus Kontokorrentverhältnissen entstehen, wenn bei ihnen strukturell und längerfristig nur eine Partei Gläubiger und nur die andere Partei Schuldner ist. An sich sind Kontokorrentverhältnisse auf Zahlungsausgleich angelegt, nicht auf Darlehensgewährung. Sie können aber wirtschaftlich Darlehenscharakter annehmen, wenn sie dazu genutzt werden, längerfristig den Finanzbedarf der anderen Partei zu decken ("Kontokorrentkredit"). Entsprechendes gilt für den Sollsaldo im Rahmen von Cash-Pooling-Verhältnissen.

 

Rz. 439

Übliche Zahlungsziele sind wirtschaftlich nicht mit Darlehensgewährungen vergleichbar. Es handelt sich um übliche Zahlungskonditionen, die nicht dazu dienen, der die Zahlungsziele in Anspruch nehmenden Gesellschaft die Deckung ihres Finanzbedarfs zu ermöglichen. Darlehenscharakter können Zahlungsziele aber annehmen, wenn sie erheblich über das Marktübliche hinausgehen; dann fallen sie unter S. 7.

 

Rz. 440

Einem Darlehensverhältnis wirtschaftlich nicht vergleichbar ist die atypisch stille Gesellschaft, da sie eine Mitunternehmerschaft ist. Ebenfalls nicht unter die Vorschrift fallen beteiligungsähnliche Genussrechte, da sie einer Beteiligung gleichstehen. Dann fallen sie bereits unter Abs. 3 S. 3 i. V. m. Abs. 2. Das kann jedoch zweifelhaft sein, da beteiligungsähnliche Genussrechte keine Beteiligung am Nennkapital repräsentieren. Wird die Ansicht vertreten, dass beteiligungsähnliche Genussrechte nicht unter Abs. 3 S. 3 fallen, werden sie auf jeden Fall als wirtschaftlich vergleichbare Rechtshandlungen von Abs. 3 S. 7 i. V. m. S. 4 erfasst, sodass sich identische Rechtsfolgen ergeben.

 

Rz. 441

Einem Darlehensverhältnis wirtschaftlich nicht vergleichbar sind Nutzungsüberlassungen von Sachen, und zwar auch dann nicht, wenn sie gesellschaftsrechtlich kapitalersetzend sind.[4] Miete, Pacht und ähnliche Nutzungsverhältnisse haben wirtschaftlich eine andere Funktion als Darlehen. Ins Gewicht fällt zudem, dass die Sache bei Nutzungsverhältnissen, anders als die Geldsumme bei Darlehen, nicht in das Eigentum des Schuldners übergeht, also regelmäßig keine Substanzverluste bei Insolvenz des Schuldners eintreten können (Aussonderungsrecht des Eigentümers). Die Frage, ob Miet- und Pachtgegenstände den Charakter von Eigenkapitalersatz haben können, spielt im Zusammenhang mit der Regelung keine Rolle.[5] Wenn der Gesetzgeber Miete, Pacht und ähnliche Nutzungsverhältnisse in die Regelung hätte einbeziehen wollen, hätte er dies durch entsprechende Regelbeispiele tun können.

 

Rz. 442

Nach diesen Ausführungen fallen allerdings Sachdarlehen unter die Vorschrift, weil der Darlehensgegenstand dabei in das Eigentum des Schuldners übergeht; ein Sachdarlehen ist mit einem Gelddarlehen wirtschaftlich vergleichbar.

 

Rz. 443

Auffällig ist, dass Rechtshandlungen, die wirtschaftlich einer Sicherheitsleistung vergleichbar sind, nicht in die Erweiterung des S. 8 aufgenommen wurden. Der Gesetzgeber spricht ausdrücklich nur von der Vergleichbarkeit mit einer Darlehensgewährung, nicht von der Vergleichbarkeit mit einer Sicherheitsleistung. Rechtshandlungen, die keine rechtliche Verpflichtung des Gesellschafters oder der nahe stehenden Person enthalten, sondern nur ein "Bemühen", wie "weiche" Patronatserklärungen, fallen daher nicht unter die Vorschri...

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