Rz. 312

Nach Abs. 4 S. 2 Nr. 2 a. F. gilt die Ausnahmeregelung des Abs. 4 S. 1 a. F. weiterhin nicht bei bestimmten Einbringungsvorgängen.[1] Der Gesetzeswortlaut ist schwer verständlich, da er nicht angibt, wann Abs. 4 S. 1 a. F. nicht eingreift (mit der Folge, dass die Veräußerungs- und sonstigen Gewinne nach Abs. 2 aus dem Einkommen auszuscheiden sind und damit steuerlich nicht erfasst werden), sondern negativ bestimmt, wann die in S. 2 bestimmte Nichtgeltung des S. 1 nicht eingreift, also in welchen Fällen die Gewinne steuerpflichtig sind. Die Verständnisschwierigkeit besteht darin, dass S. 2 die Nr. 1 als Ausnahme von S. 1 formuliert, Nr. 2 aber als Ausnahme von den Einleitungsworten des S. 2, und damit als Regel, wann S. 1 mit dem Ausschluss der Anwendung des Abs. 2 doch gilt. Trotz dieser sprachlichen Unklarheit kann der Sinngehalt der Vorschrift durch Auslegung, insbesondere unter Hinzuziehung der Begründung des Gesetzentwurfs, ermittelt werden. Die Vorschrift ist daher nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit verfassungswidrig.[2]

 

Rz. 313

S. 2 Nr. 2 ist so zu verstehen, dass die von der Körperschaft veräußerten Anteile nach Abs. 2 ohne steuerliche Belastung veräußert werden können, es sei denn, es handelt sich um einen der in S. 2 Nr. 2 genannten Einbringungsvorgänge. Die beiden Tatbestandsmerkmale des Abs. 4 S. 2 Nr. 2 a. F. waren ursprünglich durch das Wort "oder" verknüpft. Dieses Wort ist zur Klarstellung durch Gesetz v. 22.12.2003[3] durch das Wort "und" ersetzt worden. Die beiden Fassungen der Vorschrift haben also jeweils den gleichen sachlichen Inhalt.[4]

 

Rz. 314

Grund für Abs. 4 S. 2 Nr. 2 a. F. ist, dass die Anwendung des Abs. 2 und damit die steuerliche Freistellung in allen Fällen der Einbringung erhalten bleiben soll, in denen eine statt der Einbringung erfolgende Veräußerung ebenfalls unter Abs. 2 fallen würde und damit steuerlich nicht belastet wäre. Andererseits sollen die negativen Tatbestandsmerkmale des S. 2 Nr. 2 sicherstellen, dass in allen Fällen, in denen eine Veräußerung anstelle der Einbringung steuerpflichtig gewesen wäre, die Einbringung nicht zu einer Entstrickung der Anteile führt.

 

Rz. 315

Der Tatbestand des S. 2 Nr. 2 umfasst, entsprechend den Tatbeständen des S. 1, sowohl Fälle, in denen einbringungsgeborene Anteile veräußert werden, als auch den Fall, dass die aufnehmende Körperschaft Anteile im Wege der Einbringung erwirbt (die also nicht einbringungsgeboren sind) und diese veräußern will.

 

Rz. 316

Die in Abs. 2 aufgeführten Gewinne werden steuerlich nicht erfasst, wenn die Anteile nicht unmittelbar oder mittelbar auf einer Einbringung i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG a. F. oder § 23 Abs. 1–3 UmwStG a. F. beruhen. Damit ist ausgesagt, dass die steuerliche Erfassung unterbleibt, wenn es sich um eine Einbringung nach § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG a. F. oder § 23 Abs. 4 UmwStG a. F. handelt ("Rückausnahme"). Weitere Voraussetzung der Steuerfreiheit ist, dass die Einbringung durch eine nach Abs. 2 berechtigte Person erfolgt ist.

 

Rz. 317

Liegt nur eines dieser Tatbestandsmerkmale nicht vor, ist der Tatbestand der Rückausnahme nicht gegeben, d. h., es tritt Steuerpflicht ein. Steuerpflicht tritt selbstverständlich auch ein, wenn beide Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sind. Allein diese Auslegung, dass die Steuerfreiheit nur eintritt, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der beiden Halbsätze erfüllt sind, entspricht dem Gesetzeszweck zu verhindern, dass natürliche Personen die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach dem Halbeinkünfteverfahren über eine Einbringung der Beteiligung in eine Kapitalgesellschaft umgehen können.[5]

 

Rz. 318

Bei der Einbringung nach § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG a. F. handelt es sich um die Einbringung von Anteilen an einer Körperschaft. Erfolgt diese Einbringung durch eine Körperschaft, hätte diese die Anteile statt einzubringen auch an den Einbringungsempfänger veräußern können; der Veräußerungsgewinn wäre dann nach Abs. 2 von der Besteuerung ausgenommen worden. Es besteht daher kein systematischer Grund, dass der Einbringungsvorgang eine steuerliche Bindung der einbringungsgeborenen Anteile bewirkt, da durch ihn keine Steuerpflicht umgangen wird.[6]

 

Rz. 319

Eine begünstigte Einbringung ist auch die nach § 23 Abs. 4 UmwStG a. F. Danach bleibt die Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen durch eine Kapitalgesellschaft auch innerhalb der Sperrfrist von 7 Jahren steuerlich unbelastet, wenn Anteile an einer EU-Kapitalgesellschaft in eine andere EU-Kapitalgesellschaft eingebracht worden sind.

 

Rz. 320

Es tritt jedoch Steuerpflicht ein, wenn die Anteile unmittelbar oder mittelbar auf einer Einbringung nach § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG a. F. oder § 23 Abs. 1–3 UmwStG a. F. beruhen. In diesen Fällen ist also eine Einbringung nach § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG a. F. oder § 23 Abs. 4 UmwStG a. F. schädlich ("Ausnahme von der Rückausnahme"). Die Reichweite der Vorschrift ist zweifelhaft, da aus dem Gesetzestext nicht klar ersichtlich ist, wann Anteile auf ei...

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