Rz. 75

Die Umqualifizierung von Vergütungen tritt nicht nur dann ein, wenn das Fremdkapital von einem Anteilseigner gegeben wurde, sondern auch dann, wenn das Fremdkapital von einer dem Anteilseigner nahe stehenden Person stammt. Die nahe stehende Person, die nicht selbst Anteilseigner ist, wird als Teil des Anteilseigners behandelt. Ihr steht daher kein eigener "safe haven" zu; sie ist vielmehr an dem "safe haven" des Anteilseigners, dem sie nahe steht, beteiligt[1].

 

Rz. 76

Zum Begriff der dem Anteilseigner nahe stehenden Person verweist § 8a Abs. 1 S. 2 auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 AStG. Nach dieser Vorschrift sind folgende drei Gruppen von Personen "nahe stehend":

  • Personen, die an dem Steuerpflichtigen mittelbar oder unmittelbar zu mindestens einem Viertel beteiligt sind, die auf den Steuerpflichtigen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben können, oder umgekehrt, an denen der Steuerpflichtige zu mindestens einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, oder auf die der Steuerpflichtige unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann,
  • Dritte Personen, die sowohl an der Person als auch an dem Steuerpflichtigen zu mindestens einem Viertel beteiligt sind oder auf beide unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben können, oder
  • Personen, die bei der Gestaltung von Geschäftsbeziehungen in der Lage sind, einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auf den Steuerpflichtigen oder die Person auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.

Im Folgenden wird hierzu nur insoweit Stellung genommen, als es die Anwendung im Rahmen des § 8a betrifft.

 

Rz. 77

Auffällig an dem Gesetzestext ist, dass der Begriff der "nahe stehenden Person" durch Rückgriff auf § 1 Abs. 2 AStG definiert wird, nicht aber an die Definition der "nahe stehenden Person" bei der verdeckten Gewinnausschüttung anknüpft (vgl. Anh. zu § 8 Rz. 59ff.). § 1 Abs. 2 AStG definiert die "nahe stehende Person" durch die Begriffe "Beteiligung" und "beherrschenden Einfluss". Beide Begriffe sind auf Kapitalgesellschaften zugeschnitten, nicht auf natürliche Personen. Das bedeutet, dass eine natürliche Person bei § 1 Abs. 2 AStG, und damit auch bei § 8a, regelmäßig nicht "nahe stehende Person" in dem Sinne sein kann, dass der Gesellschafter an ihr "beteiligt" ist oder auf sie einen "beherrschenden Einfluss" ausübt. Angehörige des Gesellschafters i. S. d. § 15 AO sind daher bei Anwendung des § 8a keine "nahe stehende Personen". Daher ist § 8a z. B. nicht anwendbar, wenn ein Angehöriger des Gesellschafters dem kreditgebenden Dritten eine Rückgriffsmöglichkeit einräumt.

Der einzige Tatbestand des § 1 Abs. 2 AStG, dessen Anwendung auf natürliche Personen nicht ausgeschlossen erscheint, ist das eigene Interesse an der Erzielung der Einkünfte i. S. d. § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG. Dieses eigene Interesse kann auch bei Angehörigen des Gesellschafters vorliegen, es muss jedoch konkret von der Finanzbehörde nachgewiesen werden. Allein das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft zwischen dem Gesellschafter und dem Angehörigen genügt beispielsweise noch nicht, um ein eigenes Interesse anzunehmen[2].

Auch hierin zeigt sich, dass die Ausweitung des Tatbestands auf Inländer im Gesetzgebungsverfahren nicht genügend durchdacht worden ist.

 

Rz. 78

Auffällig an der sehr komplizierten Definition der nahe stehenden Person ist vor allem, dass die Verweisung in § 8a Abs. 1 S. 2 auf § 1 Abs. 2 AStG unmittelbar nicht greift. In § 1 Abs. 2 AStG geht es um die dem Steuerpflichtigen nahe stehende Person; bei § 8a Abs. 1 S. 2 handelt es sich dagegen um die dem Anteilseigner des Steuerpflichtigen nahe stehende Person. Die Definition des § 8a Abs. 1 S. 2 kann daher nur sinngemäß angewendet werden. So ist eine Tochtergesellschaft des Steuerpflichtigen eine ihm nahe stehende Person nach § 1 Abs. 2 AStG, fällt aber nicht unter § 8a Abs. 1 S. 2, weil es hier nicht um die dem Steuerpflichtigen nahe stehende Person, sondern dem Anteilseigner nahe stehende Person geht (zur mittelbaren Beteiligung in diesen Fällen vgl. Rz. 79).

Auch kann die kreditnehmende Kapitalgesellschaft selbst keine "nahe stehende Person" sein. An sich trifft die Definition der nahe stehenden Person auch auf die kreditnehmende Kapitalgesellschaft zu, weil sie eine nahe stehende Person im Verhältnis zu dem wesentlich beteiligten Anteilseigner ist. Bei der sinngemäßen Anwendung des § 1 Abs. 2 AStG ist der Anwendungsbereich aber teleologisch zu reduzieren. Andernfalls würde jede Kreditaufnahme einer Kapitalgesellschaft, die einen wesentlich beteiligten Anteilseigner hat, unter § 8a fallen, auch wenn der Anteilseigner in keiner Hinsicht in die Kreditvergabe eingeschaltet wäre. Zumindest hätte der Kreditgeber dann immer einen "Rückgriff auf eine nahe stehende Person". Dies entspricht aber nicht dem Willen des Gesetzes. Dem Anteilseigner nahe stehende Person kann also immer nur eine Person sein, d...

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