Rz. 72

Nach Abs. 1 S. 2 trat bis Vz 2003 (zum In-Kraft-Treten bei abweichendem Wirtschaftsjahr vgl. Rz. 17) keine Umqualifizierung der Vergütungen für Gesellschafter-Fremdkapital ein, wenn die Vergütungen bei dem Anteilseigner im Inland im Rahmen einer Veranlagung erfasst wurden. Die Ausnahme griff nur ein, wenn im Inland eine Veranlagung erfolgte; Steuerpflicht im Inland genügte nicht. Daher war § 8a anwendbar, wenn die Vergütungen im Inland zwar der Kapitalertragsteuerpflicht unterlagen, wegen der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs nach § 50 Abs. 5 S. 1 EStG aber keine Veranlagung erfolgte[1]. Die Ausnahme galt für erfolgsabhängige und für erfolgsunabhängige Vergütungen.

Durch diese Vorschrift wurden Gesellschafter, die im Ausland ansässig waren, also im Inland nicht der Veranlagung unterlagen, steuerlich gegenüber Anteilseignern im Inland benachteiligt. Es war diese Regelung, die den EuGH veranlasst hat, § 8a wegen Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit für EU-rechtswidrig zu erklären (vgl. Rz. 14).

 

Rz. 73

Nicht von der inländischen Veranlagung erfasst wurden folgende Gruppen von Steuerpflichtigen, mit der Folge, dass an sie gezahlte Vergütungen für Gesellschafter-Fremdkapital dem § 8a unterlagen:

  • im Ausland ansässige und daher beschränkt steuerpflichtige natürliche und juristische Personen, soweit die Vergütungen nicht in einer inländischen Betriebsstätte anfielen;
  • nach § 5 Abs. 1 persönlich von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaften; soweit nur eine partielle Steuerbefreiung bestand, also ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb von der Steuerbefreiung ausgenommen war, griff § 8a ein, wenn die Vergütungen in den steuerfreien Bereich flossen, dagegen nicht, wenn sie im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb anfielen;
  • inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts, die nicht unbeschränkt steuerpflichtig waren (hoheitlicher Bereich); da diese nach § 2 Nr. 2 nur insoweit beschränkt steuerpflichtig sind, als ein Steuerabzug vorzunehmen war, und dieser Steuerabzug die Steuerpflicht abgilt, ohne dass es zu einer Veranlagung kommt, konnte die Vergütung bei diesen inländischen Körperschaften nie im Rahmen einer inländischen Veranlagung erfasst werden.

Trotz Einbeziehung der Zinsen in eine inländische Veranlagung traten nach Abs. 5 Nr. 1 die Rechtsfolgen des Abs. 1 ein (mit der Folge, dass erfolgsabhängige Vergütungen immer, nicht erfolgsabhängige Vergütungen insoweit in verdeckte Gewinnausschüttungen umqualifiziert wurden, als das Gesellschafter-Fremdkapital das Eineinhalbfache des Eigenkapitals überstieg), wenn die Vergütungen nur deshalb im Rahmen einer Veranlagung erfasst wurden, weil sie zu Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs gehörten (vgl. Rz. 40).

 

Rz. 74

Die Regelung konnte zu Steuergestaltungen genutzt werden. Hatte eine Schwestergesellschaft z. B. wegen Abs. 4 S. 3 a. F. keinen "safe haven", benötigte aber Fremdkapital von ihrem ausländischen Gesellschafter, und hatte eine Schwestergesellschaft einen nicht ausgenutzten "safe haven", konnte das Fremdkapital von der Muttergesellschaft an die Schwestergesellschaft (fiel in den safe haven) und von dieser an die den Kredit benötigende Gesellschaft gegeben werden[2]. Bei einer klaren Nämlichkeit des Darlehens der ausländischen Muttergesellschaft an die inländische Schwestergesellschaft und des von dieser an die den Kredit benötigende Gesellschaft weitergegebenen Darlehens lag ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO nahe. War die Nämlichkeit jedoch nicht eindeutig gegeben, wurde das Darlehen an die den Kredit benötigende Gesellschaft z. B. aus einem "Pool" von Finanzmitteln gegeben, lag kein Missbrauch vor. Wenn die Schwestergesellschaft Finanzmittel zur Verfügung hatte, konnte sie diese auch, statt sie bei Banken anzulegen, zur Kreditgewährung an eine Schwestergesellschaft nutzen.

[1] Vgl. Prinz, GmbHR 2000, 272.
[2] Führte bei ihr nicht zur Umqualifizierung der Zinsen, da die Zinsen bei dem Empfänger, der inländischen Schwestergesellschaft, in der Veranlagung erfasst wurden; zu dieser Konstellation vgl. auch Neyer, IStR 1996, 426.

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