1 Überblick

1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Bestimmungen zur Steuerpflicht von Betrieben von Körperschaften des öffentlichen Rechts enthält das KSt-Recht seit dem KStG 1925. Die heutige Fassung des § 4 Abs. 1 bis Abs. 5 KStG beruht auf den §§ 1 bis 6 KStDV 1968. Diese Regelungen wurden durch Art. 1 des KStRefG v. 31.8.1976[1] in das KStG übernommen. Seither ist deren Wortlaut unverändert geblieben. Mit dem JStG 2009 v. 19.12.2008[2] hat der Gesetzgeber § 4 KStG um Abs. 6 ergänzt, eine Bestimmung zur Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art. Diese Neuregelung ist erstmals für den Vz 2009 anzuwenden. Sie steht in Zusammenhang mit Änderungen und Erweiterungen des § 8 KStG durch das JStG 2009 (Abs. 1 S. 2, Abs. 7 bis Abs. 9), die die Einkommensermittlung und Verlustnutzung bei dauerdefizitären Tätigkeiten der öffentlichen Hand zum Gegenstand haben.

[1] BStBl I 1976, 445.
[2] BStBl I 2009, 74.

1.2 Verhältnis zu anderen Vorschriften

1.2.1 Grundgesetz

 

Rz. 2

Die Besteuerung von Betrieben gewerblicher Art dient der wettbewerbsneutralen Besteuerung von Privatunternehmen und öffentlicher Hand, wenn und soweit öffentliche mit privaten Unternehmen konkurrieren. § 4 KStG verstößt nicht gegen das GG. Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt und beachtet den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.[1]

1.2.2 EU-Beihilferecht

 

Rz. 2a

§ 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 KStG i. d. F. des JStG 2009[1] nimmt bei Betrieben gewerblicher Art Dauerverlustgeschäfte i. S. d. § 8 Abs. 7 S. 2 KStG, die Bereiche der Daseinssorge betreffen, von den Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung aus. Die verstößt nach Ansicht des BFH[2] gegen das Beihilfenverbot nach Art. 107 Abs. 1 AEUV. Dies überzeugt. Es handelt sich um eine selektive Begünstigung bestimmter Betriebe gewerblicher Art.[3] Insbesondere befinden sich die Betriebe gewerblicher Art bei diesen Tätigkeiten der Daseinsvorsorge nicht in einer rechtlichen oder tatsächlichen Sondersituation.[4] Auch liegen Rechtfertigungsgründe, die dem Steuersystem inhärent sind, nicht vor.[5] Ebenso greift die sog. Altmark-Ausnahme[6] nicht, weil § 8 Abs. 7 S. 2 KStG keine klar umrissene gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung enthält.[7] Bei diesem Verstoß gegen das Beihilfenverbot besteht mangels vorangegangener Notfizierung durch Deutschland nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV ein anfängliches Durchführungsverbot mit entsprechender Rückzahlungsverpflichtung der Begünstigten nach Art. 16 VO (EU) 2015/1589.[8]

[1] BGBl I 2008, 2794.
[3] Allgemein zum Maßstab auch im Folgenden EuGH v. 21.12.2016, C-20/15 P und C-21/15 P, EU:C:2016:981, World Duty Free Group, Rz. 54.
[6] Grundlegend EuGH v. 24.7.2003, C-280/00, Altmark Trans, Slg. 2003, I-7747, Rz. 88-93.
[8] Hierauf ebenfalls hinweisend Märtens, jurisPR-SteuerR 49/2019 Anm. 1, unter C. III. und IV.

1.2.3 Umsatzsteuergesetz

 

Rz. 3

Die Vorschriften des KStG zu Betrieben gewerblicher Art dienten im bis zum 31.12.2016 geltenden USt-Recht als Anknüpfungspunkt für die Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. § 2 Abs. 3 S. 1 UStG verwies zu diesem Zweck auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG und § 4 KStG. Lagen mehrere Betriebe gewerblicher Art vor, bildete die Gesamtheit aller Betriebe gewerblicher Art nach dem umsatzsteuerlichen Grundsatz der Unternehmenseinheit[1] ein einheitliches Unternehmen der juristischen Person des öffentlichen Rechts.[2]

 

Rz. 3a

Die europarechtlichen Vorgaben für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand wurden bislang durch die Bezugnahme auf die ertragsteuerliche Terminologie allerdings häufig nicht zutreffend umgesetzt.[3] Bei der Prüfung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft waren jeweils auch die Bestimmungen der europarechtlichen Richtlinien und die dazu ergangene Rspr. des EuGH zu berücksichtigen.[4] Zentrales Kriterium für die Entscheidung über die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts war die Formulierung in Art. 13 Abs. 1 der 6. Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die – wie ehemals Art. 4 Abs. 5 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie – vorsieht, dass die Betätigung der öffentlichen Hand, selbst wenn sie der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient, dann nicht steuerfrei belassen werden darf, wenn sie zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt. Umsatzsteuerlich war danach eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 S. 1 UStG i. V. m. § 4 KStG Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübte, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelte sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kam es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Beruhte ihre Tätigkeit auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage, z. B. beim Erlass eines Verwaltungsakts, handelt sie also hoheitlich, wa...

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