Rz. 3

Die Vorschriften des KStG zu Betrieben gewerblicher Art dienten im bis zum 31.12.2016 geltenden USt-Recht als Anknüpfungspunkt für die Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. § 2 Abs. 3 S. 1 UStG verwies zu diesem Zweck auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG und § 4 KStG. Lagen mehrere Betriebe gewerblicher Art vor, bildete die Gesamtheit aller Betriebe gewerblicher Art nach dem umsatzsteuerlichen Grundsatz der Unternehmenseinheit[1] ein einheitliches Unternehmen der juristischen Person des öffentlichen Rechts.[2]

 

Rz. 3a

Die europarechtlichen Vorgaben für die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand wurden bislang durch die Bezugnahme auf die ertragsteuerliche Terminologie allerdings häufig nicht zutreffend umgesetzt.[3] Bei der Prüfung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft waren jeweils auch die Bestimmungen der europarechtlichen Richtlinien und die dazu ergangene Rspr. des EuGH zu berücksichtigen.[4] Zentrales Kriterium für die Entscheidung über die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts war die Formulierung in Art. 13 Abs. 1 der 6. Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die – wie ehemals Art. 4 Abs. 5 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie – vorsieht, dass die Betätigung der öffentlichen Hand, selbst wenn sie der Ausübung der öffentlichen Gewalt dient, dann nicht steuerfrei belassen werden darf, wenn sie zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt. Umsatzsteuerlich war danach eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 S. 1 UStG i. V. m. § 4 KStG Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübte, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelte sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kam es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Beruhte ihre Tätigkeit auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage, z. B. beim Erlass eines Verwaltungsakts, handelt sie also hoheitlich, war sie umsatzsteuerlich nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.[5] Als Folge dieser Rspr.-Entwicklung hatte der BFH zwischenzeitlich die umsatzsteuerliche Nichtsteuerbarkeit der Vermögensverwaltung ebenso aufgegeben[6] wie die der sog. Beistandsleistungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, falls diese Beistandsleistungen zwar auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, jedoch im Wettbewerb zu Leistungen Privater erbracht werden.[7]

 

Rz. 3b

Das Steueränderungsgesetz 2015 (StÄndG 2015) v. 2.11.2015[8] hat die Umsatzbesteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in § 2b UStG neu geregelt und § 2 Abs. 3 UStG ersatzlos aufgehoben. Damit entfällt die umsatzsteuerliche Anknüpfung der Unternehmereigenschaft an den körperschaftsteuerlichen Begriff des Betriebs gewerblicher Art. Die Änderungen treten grundsätzlich zum 1.1.2017 in Kraft, allerdings kann die Fortgeltung der alten Rechtslage bis Ende 2020 durch entsprechende Erklärung, die bis zum 31.12.2016 abzugeben ist, beantragt werden.[9] § 2b UStG übernimmt weitestgehend Art. 13 Abs. 1 der 6. Mehrwertsteuersystemrichtlinie und bezieht sich insgesamt nur noch auf das Tätigwerden der öffentlichen Hand innerhalb des Hoheitsbereichs. § 2b Abs. 2 und Abs. 3 UStG nehmen eine Negativabgrenzung vor, indem sie regeln, dass insbesondere in den dort bezeichneten Fällen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. Die betreffenden Leistungen sind dann nicht umsatzsteuerbar. Das ist nach § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG insbesondere dann der Fall, wenn die Umsatzgrenze von 22.000 EUR im Jahr, bezogen auf gleichartige Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, nicht überschritten wird. § 2b Abs. 3 UStG bestimmt für einzelne Beistandsleistungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, dass größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vorliegen.[10]

 

Rz. 4

Die Richtlinienbestimmungen zur Besteuerung der öffentlichen Hand entfalten unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten.[11] Private Wettbewerber können sich auf Art. 13 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen, wenn sie geltend machen, die betreffende Einrichtung der öffentlichen Gewalt werde bei ihrer Tätigkeit nicht oder zu niedrig zur USt herangezogen. Sie können dabei Auskunft von den Finanzbehörden über die Besteuerung bestimmter Tätigkeiten der öffentlichen Hand verlangen, wenn sie substantiiert und glaubhaft darlegen, durch eine (wahrscheinlich) unzutreffende Besteuerung des Konkurrenten konkret feststellbare Wettbewerbsnachteile zu erleiden und ggf. Konkurrentenklage, gestützt auf § 2 Abs. 3 UStG bzw. § 2b UStG, erheben.[12] Ob sich auch Einrichtungen der öffentlichen Hand untereinander auf eine angebliche Wettbewerbsverzerrung berufen können, ist eine derzeit noch offene Frage. Eine Klagebefugnis juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf Grundlage der Richtlinienbestimmungen dürfte aber aus...

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