Rz. 1

Die §§ 3640 KStG bilden das Scharnier zwischen dem bis zum 31.12.2000 geltenden Anrechnungsverfahren und dem ab 1.1.2001 in Kraft getretenen neuen KSt-System (Halb-/Teileinkünfteverfahren). Sie enthalten die Vorschriften, die den Übergang vom Anrechnungs- auf das Halb-/Teileinkünfteverfahren regeln.[1]

 

Rz. 1a

Dabei enthält § 36 KStG die Übergangsregelung für das verwendbare Eigenkapital. Für den Sonderausweis nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 KStG a. F.[2], in dem der für Ausschüttungen verwendbare Teil des Nennkapitals, der aus Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln entstanden ist, ausgewiesen wurde, wird der Übergang in § 39 Abs. 2 KStG geregelt. Für Liquidationen ist die Übergangsregelung in § 34 Abs. 14 KStG und dem – zwischenzeitlich aufgehobenen – § 40 Abs. 4 KStG enthalten.[3]

 

Rz. 1b

Nach dem Anrechnungsverfahren waren die Ebenen der Anrechnungskörperschaft und des Anteilseigners notwendig miteinander verknüpft. Die KSt, die auf der Ebene der Anrechnungskörperschaft entstand, konnte, wirtschaftlich betrachtet, als Vorauszahlung auf die Steuerschuld des Anteilseigners angesehen werden. Im Fall der Ausschüttung wurde die KSt der Anrechnungskörperschaft auf die Ausschüttungsbelastung von zuletzt 30 % hoch- oder herabgeschleust und bei dem Anteilsinhaber i. H. v. 3/7 der Bardividende angerechnet.

 

Rz. 2

Die Verbindung der Ebene der Körperschaft mit der des Anteilseigners durch das Anrechnungsverfahren führte dazu, dass die Tarifsteuerbelastung bei der Körperschaft nur hinsichtlich der nicht abzugsfähigen Ausgaben eine endgültige Steuerbelastung bewirkte, dagegen für die ausschüttbaren Einkommensteile nur eine vorläufige Steuerbelastung darstellte. Gleiches galt für die mit einer geringeren als der Tarifbelastung besteuerten oder steuerfreien Einkommensteile.

 

Rz. 2a

War ein Einkommensteil mit der Tarifsteuer von 40 % belastet, erfolgte im Fall der Ausschüttung eine Herabschleusung auf den Ausschüttungssteuersatz von 30 %. Die Körperschaft konnte also im Fall der Ausschüttung eine Steuerminderung geltend machen.

 

Rz. 2b

War das ausschüttbare Einkommen mit einer Steuer von weniger als 40 % belastet, erfolgte seine Aufteilung durch Splitting in EK 40/EK 30 bzw. EK 30/EK 0. Bei Ausschüttung des EK 30 erfolgte keine Änderung der KSt, da das Einkommen bereits mit genau 30 % KSt belastet, also keine Korrektur erforderlich war.

 

Rz. 2c

War das Einkommen dagegen unbelastet, erfolgte bei Ausschüttung grundsätzlich eine Erhöhung der KSt auf 30 %. Ausgenommen von dieser KSt-Erhöhung waren nur EK 01 und EK 04. Dagegen erfolgte bei Ausschüttung von EK 02 und EK 03 eine Heraufschleusung der KSt-Belastung auf 30 %.

 

Rz. 3

Somit war EK 40 mit einem latenten Steuerentlastungsanspruch, EK 02 und EK 03 mit einem latenten Steuererhöhungsanspruch verbunden. Die potenzielle Steuerentlastung wurde bei einer entgeltlichen Übertragung der Anteile an der Anrechnungskörperschaft als Vermögenswert, die potenzielle Steuererhöhung als entsprechende Vermögensminderung angesehen. Ein latenter Steuerentlastungsanspruch wirkte kaufpreiserhöhend, da er bei einer Ausschüttung realisiert wurde und zu einer Vermögensmehrung führte, die den Wert der Anteile erhöhte. Umgekehrt bedeutete die potenzielle Steuerbelastung, dass in EK 02 und EK 03 gebundene Vermögensteile nur unter Inkaufnahme einer zusätzlichen Steuerbelastung ausschüttbar waren, die das Vermögen der Anrechnungskörperschaft, und damit auch den Wert der Anteile, minderte.

 

Rz. 4

Die Aufgabe des Anrechnungsverfahrens und die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens beseitigte die Verbindung zwischen der Ebene der Anrechnungskörperschaft und der Ebene des Anteilseigners. Die Steuerbelastung auf der Ebene der ausschüttenden Körperschaft hatte keine direkten Auswirkungen mehr auf die Besteuerung des Anteilseigners. Dementsprechend entfielen KSt-Erhöhungen und -Minderungen auf der Ebene der Körperschaft anlässlich der Ausschüttung; auf der Ebene der Körperschaft hatte es auf die Höhe der Steuerbelastung keinen Einfluss mehr, ob Einkommen ausgeschüttet oder thesauriert wurde. Da es durch den Systemwechsel nicht mehr zur Herauf- oder Herabschleusung der KSt auf der Ebene der Körperschaft kam, entfielen der latente Steuerentlastungsanspruch bei EK 40 und der latente Steuererhöhungsanspruch bei EK 02 und EK 03.

 

Rz. 5

Dies wäre jedoch finanzpolitisch nicht angemessen und wohl auch verfassungsrechtlich bedenklich. Soweit EK 40 betroffen war, stellte das KSt-Minderungsguthaben einen Vermögenswert dar, der bei Anteilsverkäufen im Kaufpreis bezahlt wurde. Die Anrechnungskörperschaften und ihre Anteilseigner konnten sich aufgrund der geltenden Gesetze darauf verlassen, dass sie diesen Vermögenswert durch Ausschüttung realisieren konnten. Eine übergangslose Beseitigung dieser Möglichkeit hätte materiell enteignende Wirkung gehabt und wäre daher verfassungsrechtlich bedenklich gewesen. Den Anrechnungskörperschaften musste daher für eine Übergangszeit die Möglichkeit eingeräumt werden, das Anrechnungsguthaben noch zu rea...

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