Rz. 49

Grundsätzlich schreibt § 29 Abs. 2 S. 1 KStG bei Vorliegen der Voraussetzungen als Rechtsfolge die Zurechnung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos der übertragenden Kapitalgesellschaft (nach Vornahme der fiktiven Kapitalherabsetzung) bei der Übernehmerin vor. Insoweit kommt es zur vollständigen Übertragung sämtlicher Einlagen der Überträgerin auf die Übernehmerin.

 

Beispiel (Fortsetzung des Beispiels in Rz. 41):

Die steuerlichen Einlagekonten der A-GmbH (230) und der X-AG (1.000) sind zusammenzurechnen. Die X-AG weist damit ein steuerliches Einlagekonto von 1.230 aus.

 

Rz. 50

Im Zuge der Verschmelzung geht die übertragende Kapitalgesellschaft unter, d. h. es erfolgt eine liquidationslose Löschung im Handelsregister. Ihr letztes Wirtschaftsjahr endet mithin mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags. Auf diesen Stichtag ist letztmalig der Bestand des steuerlichen Einlagekontos gesondert nach Maßgabe des § 27 Abs. 2 KStG festzustellen. Dieser Bescheid fungiert dann als Grundlagenbescheid für die übernehmende Körperschaft. Ohne Vornahme einer Verschmelzung wirkt der Bescheid gem. § 27 Abs. 2 KStG an sich als Grundlagenbescheid für den Bescheid des folgenden Wirtschaftsjahres.[1] Der Bescheid stellt insoweit materiell-rechtliche Rechtsgrundlage des zuzurechnenden Bestands dar. Dies ergibt sich zwar nicht explizit durch einen entsprechenden Verweis in § 29 KStG auf § 27 Abs. 2 KStG. Der BFH hatte jedoch für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG entschieden, dass der Bescheid gem. § 27 Abs. 2 KStG materiell-rechtliche Bedeutung für die Einordnung der Leistung einer Kapitalgesellschaft als Einlagenrückgewähr, die aus dem steuerlichen Einlagekonto stammt, erlangt.[2] Hieraus lässt sich m. E. analog ableiten, dass dieser Bescheid auch für Zwecke der Hinzurechnung des Bestands der Überträgerin bei der Übernehmerin als Grundlagenbescheid dient, der insoweit materiell-rechtliche Bedeutung im Hinblick auf den zuzurechnenden Betrag erlangt.[3]

 

Rz. 51

Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos der übertragenden Kapitalgesellschaft ist der Bestand, der sich nach Vornahme sämtlicher Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahres, aber unmittelbar vor der Vermögensübertragung durch die Verschmelzung ergibt. Daher erfolgt die Feststellung des zu übertragenden Bestandes als letzter Akt des Wirtschaftsjahres vor der Vermögensübertragung. Sämtliche vorher erfolgten Maßnahmen mit Einfluss auf das steuerliche Einlagekonto sind daher zu berücksichtigen.

 

Rz. 52

Besonderheiten ergeben sich insoweit im Rückwirkungszeitraum. Zunächst einmal ergeben sich Besonderheiten in Bezug auf Leistungen, die innerhalb des Rückwirkungszeitraums erfolgen. Für Einlagen der Gesellschafter im Rückwirkungszeitraum (und damit nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag) in die übertragende Kapitalgesellschaft ist fraglich, ob diese noch der übertragenden Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind. Von besonderer Bedeutung ist dies für die Frage, wann diese Einlagen für Leistungen der Übernehmerin zur Verfügung stehen. Fällt der Umwandlungsstichtag auf das Ende des Wirtschaftsjahres der Übernehmerin (z. B. den 31.12. bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr), könnten die Einlagen bereits für Leistungen des laufenden Wirtschaftsjahres verwendet werden, im Extremfall sogar für Leistungen, die zeitlich vor der Einlagenerbringung erfolgt sind.

 
Praxis-Beispiel

Die Gesellschafter der X-GmbH (das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kj.) beschließen im Mai des Jahres 02, dass die Gesellschaft mit Rückwirkung zum 01.01.02 auf die A-AG (das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kj.) verschmolzen werden soll. Das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.01 betrug 0 EUR, das Nennkapital 25.000 EUR. Im März 02 hatten die Gesellschafter der X-GmbH noch Einlagen außerhalb des Nennkapitals in die Gesellschaft i. H. v. 50.000 EUR erbracht.

Sofern die 50.000 EUR, die im März 02 erbracht worden sind, noch der übertragenden Kapitalgesellschaft (X-GmbH) zuzurechnen sind, würden diese zum steuerlichen Übertragungsstichtag 31.12.01 auf die A-AG übergehen. Diese hätte den Zugang der insgesamt 75.000 EUR (50.000 EUR aus der Einlage im März 02 sowie 25.000 EUR aus dem Nennkapital der X-GmbH) bereits am 31.12.01 zu erfassen, sodass z. B. eine Leistung im Februar 02 zu einer Verwendung der Einlagen führen könnte, obgleich diese tatsächlich erst im März erbracht worden sind.

 

Rz. 53

Abweichungen könnten sich insoweit auch in Bezug auf die Nennkapitalanpassung des § 29 Abs. 4 KStG ergeben, der auf § 28 Abs. 1 KStG verweist. Laut § 28 Abs. 1 KStG ist auf den Schlussbestand des steuerlichen Einlagekontos des Jahres abzustellen, in dem die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln – in Umwandlungsfällen mithin das Ende des Wirtschaftsjahres, in das der Umwandlungsstichtag fällt – vorgenommen wird. Fällt der Umwandlungsstichtag auf das Ende eines Wirtschaftsjahres und werden Einlagen im Rückwirkungszeitraum erbracht, könnten diese nicht mehr für Zwecke einer Nennkapitalanpassung zur Verfügung stehen. Im vorstehenden Be...

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