Rz. 200

Gem. § 27 Abs. 5 S. 2 KStG gilt bei einer verspäteten oder unterlassenen Bescheinigung eine fiktive Verwendungsfestschreibung mit 0. Die Regelung zielt darauf ab, Verfahrenssicherheit herzustellen[1] und Verzögerungen bei der Ausstellung von Bescheinigungen zu vermeiden. Maßgebend ist die in der Vorschrift genannte Frist. Danach ist eine Bescheinigung nach Abs. 3 bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf den Schluss des Wirtschaftsjahrs zu erteilen, in dem Beträge des steuerlichen Einlagekontos verwendet worden sind. Insoweit ist die erstmalige Feststellung auf diesen Stichtag maßgebend, spätere Änderungen oder Berichtigungen der Feststellung bleiben außer Betracht. Der Tag der Bekanntgabe bezieht sich auf den Tag, an dem die Feststellung der Körperschaft zugeht und gem. § 124 AO wirksam wird, wobei sich dieser nach § 122 Abs. 2 AO bestimmt.

 

Rz. 201

Wurde die Bescheinigung bis zum im Gesetz genannten Stichtag nicht erteilt, gilt die Einlagenrückgewähr als mit 0 EUR bescheinigt; eine entsprechende Verwendungsfestschreibung ist vorzunehmen. Dann kann der Anteilseigner die Auskehrung trotz tatsächlicher Verwendung des steuerlichen Einlagekontos nicht als solche behandeln, sondern hat einen Beteiligungsertrag zu versteuern. Zusätzliche "Brisanz" erhält die Regelung in Zusammenhang mit § 27 Abs. 8 KStG, da dieser möglicherweise nicht europarechtskonform ist[2], sowie für den Fall, dass § 27 KStG nicht verfassungskonform sein sollte. Ist in derartigen Fällen bislang eine Bescheinigung in Übereinstimmung mit der Norm unterblieben, obwohl das Einlagekonto tatsächlich hätte verwendet werden können, greift die Verwendungsfestschreibung, sodass eine nachträgliche Verwendung des steuerlichen Einlagekontos nicht mehr möglich sein sollte.

 

Rz. 201a

Die Verwendungsfestschreibung selbst ist gem. Rechtsprechung des BFH zulässig und es bestehen hiergegen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.[3]

Die Regelung ist nach zutreffender Ansicht des BFH hinreichend klar gefasst, befindet sich im Rahmen des zulässigen gesetzgeberischen Gestaltungsrahmens und genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

 

Rz. 202

Wurde die Bescheinigung nicht oder zu spät erteilt, gilt ein entsprechender Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit sämtlichen Konsequenzen (keine Einlagenrückgewähr sondern laufender Gewinnbezug inkl. KapESt-Verpflichtung) nicht als verwendet.

 

Rz. 203

Diese Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn zunächst kein Bestand des steuerlichen Einlagekontos vorhanden war, dieser zu einem späteren Zeitpunkt jedoch aufgrund einer Bilanzberichtigung oder nachträglichen Erfassung einer verdeckten Einlage ermittelt wird. Dieser Betrag kann nicht für eine (nachträgliche) Verwendung des steuerlichen Einlagekontos zur Verfügung stehen, da aufgrund der unwiderlegbaren Vermutung des § 27 Abs. 5 S. 2 KStG keine weitere Verwendung möglich ist.[4] Hierdurch können sich erhebliche Nachteile für den Stpfl. ergeben, da Erträge versteuert werden, die nicht entstanden sind[5], etwa ein späterer Beteiligungsgewinn in laufende Einkünfte umqualifiziert wird. Denkbar ist dies z. B., sofern die Anteile an der Körperschaft von einer Kapitalgesellschaft gehalten werden, auf die § 8b Abs. 1 bis 5 KStG anzuwenden ist. Sind durch die Verwendungsfestschreibung laufende Beteiligungserträge zu versteuern, obgleich eigentlich eine Einlagenrückgewähr vorliegt, muss die Kapitalgesellschaft diese gem. § 8b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 KStG zu 5 % (oder im Falle von § 8b Abs. 4 KStG zu 100 %) versteuern. Da das Geld tatsächlich abgeflossen ist, dürfte sich der potenzielle Verkaufspreis der Anteile entsprechend vermindert haben. Veräußert die Kapitalgesellschaft nunmehr die Anteile und erzielt hierbei einen Veräußerungsverlust, bleibt dieser aufgrund der Regelung des § 8b Abs. 3 KStG ertragsteuerlich unbeachtlich. Die aufgrund der Verwendungsfestschreibung erfolgte zu hohe Besteuerung von laufenden Beteiligungserträgen kann insoweit nicht mehr korrigiert werden.

Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Regelung nicht möglich.[6]

 

Rz. 204

Dasselbe gilt grds. auch für nachträglich festgestellte verdeckte Gewinnausschüttungen. Da für diese keine Bescheinigung ausgestellt worden ist, kann es auch nicht zu einer Verwendung des steuerlichen Einlagekontos kommen.[7] M.E. ist dies aufgrund des eindeutigen Wortlauts zwingend, d. h., eine nachträglich erkannte verdeckte Gewinnausschüttung kann nur in den seltenen Fällen aus dem Einlagekonto gespeist werden, in denen die Ausstellung einer Bescheinigung noch möglich ist.[8] Insoweit sollte es indes auch nicht zu einer zu hohen Bescheinigung für andere Leistungen desselben Vz gekommen sein.

 

Rz. 205

Der Stpfl. kann den Tatbestand allerdings auch zur Steuerplanung nutzen. Wird für eine Leistung der Kapitalgesellschaft das steuerliche Einlagekontos verwendet, erzielt der Anteilseigner jedoch Verluste aus anderen ...

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