Rz. 180

Bei Aktien besteht die Möglichkeit, den Anspruch auf Dividende abzutrennen und auf eine rechtlich selbstständige Urkunde zu übertragen (Dividendenschein oder Kupon). Der Dividendenschein kann unabhängig von der Aktie veräußert werden und berechtigt dann eine andere Person als den Anteilseigner zum Bezug der Dividende. In derartigen Fällen kann die AG den Empfänger der Dividende nicht identifizieren, da die Einlösung i. d. R. über ein Kreditinstitut abgewickelt wird. § 27 Abs. 4 KStG überträgt die Pflicht zur Ausstellung der Bescheinigung gem. § 27 Abs. 3 KStG in diesen Fällen auf das Kreditinstitut. Voraussetzung für den Übergang dieser Pflicht ist, dass

  • die Auszahlung der Leistung von der Vorlage eines Dividendenscheins abhängt und
  • die Abwicklung der Auszahlung von einem Kreditinstitut übernommen wird.
 

Rz. 180a

Die Anwendung der Vorschrift hängt von der Erteilung eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Dividendenscheins ab,[1] der grds. nur von AG, KGaA sowie SE[2] begeben werden kann. M. E. umfasst die Vorschrift zudem Gewinnverbriefungen gem. § 793 Abs. 1 S. 1 BGB, welche auch von anderen Kapitalgesellschaften ausgegeben werden können und wirtschaftlich mit einem Dividendenschein vergleichbar sind.[3] Aus verwaltungstechnischen Gründen werden die Dividendenscheine regelmäßig von Kreditinstituten eingelöst, die Depots der Kleinanleger führen. Dies gilt insbes. vor dem Hintergrund, dass Dividendenscheine unabhängig von Aktien veräußerbar sind und auch noch bis zu 2 Jahre nach dem Ausschüttungsbeschluss eingelöst werden können.

 

Rz. 181

§ 27 Abs. 4 S. 1 KStG verweist für die Pflicht zur Erteilung der Bescheinigung auf § 27 Abs. 3 S. 1 KStG. Hieraus ergibt sich, dass die Pflicht zur Erteilung der Bescheinigung nur dann auf ein Kreditinstitut übergehen kann, wenn die Kapitalgesellschaft selbst dazu verpflichtet ist, eine solche Bescheinigung auszustellen. Folglich muss es sich um eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft handeln. Die Verpflichtung geht in diesem Fall auch zivilrechtlich auf das Kreditinstitut über, d. h., der einklagbare Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung besteht nun gegenüber dem Kreditinstitut.

 

Rz. 182

Die Verpflichtung zur Ausstellung der Bescheinigung geht gem. § 27 Abs. 4 S. 1 KStG nur dann auf ein Kreditinstitut über, wenn die Leistung durch ein inl. Kreditinstitut erbracht wird. Darüber hinaus erweitert § 27 Abs. 4 S. 3 KStG den Anwendungsbereich auf eine inl. Zweigniederlassung eines der in § 53b Abs. 1, 7 KWG genannten Unternehmen. § 53b KWG bezieht sich generell auf Kreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen, die ihren Sitz in einem EU- oder EWR-Staat haben. Für diese Institute gilt die Besonderheit, dass sie für Tätigkeiten im Inland unter den Voraussetzungen des § 53b Abs. 7 S. 1 KWG keine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde benötigen. Die Aufsicht erfolgt in diesen Fällen durch eine Behörde des Herkunftslands bzw. nur eingeschränkt durch die BaFin.[4] Die Verpflichtung zur Ausstellung der Bescheinigung geht gem. § 27 Abs. 4 KStG jedoch nur dann über, wenn die Leistung durch eine inl. Zweigniederlassung erbracht wird. Wird die Leistung hingegen von einem ausl. Kreditinstitut i. S. d. § 53b KWG aus dem Ausland erbracht, bleibt die Verpflichtung zur Ausstellung der Bescheinigung bei der inl. Kapitalgesellschaft.

 

Rz. 183

Die Regelung ist m. E. europarechtlich bedenklich. Beauftragt eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ein ausl. Kreditinstitut i. S. d. § 53b KWG mit Sitz in der EU bzw. im EWR ohne inl. Zweigniederlassung mit der Erbringung der Leistung, wird die Verpflichtung zur Ausstellung der Bescheinigung nicht übertragen. Wird hingegen ein inl. Kreditinstitut oder ein ausl. Kreditinstitut i. S. d. § 53b KWG mit einer inl. Zweigniederlassung beauftragt, geht die Verpflichtung über; im letzteren Fall allerdings nur dann, wenn die Leistung durch die inl. Zweigniederlassung erbracht wird. Die Regelung ist damit grds. geeignet, im europäischen Ausland ansässige Kreditinstitute ohne Zweigniederlassung in Deutschland zu diskriminieren.

 

Rz. 184

Mit Übergang der Verpflichtung zur Ausstellung der Bescheinigung gelten für das Kreditinstitut dieselben Grundsätze wie für die Kapitalgesellschaft. Folglich muss auch das Kreditinstitut den Anteilseigner identifizieren. Zunächst wird der Anleger dem Kreditinstitut bekannt sein, wenn er dort ein Depot auf seinen Namen unterhält. Dann darf das Kreditinstitut annehmen, dass der Depotinhaber mit dem Anteilseigner gleichzusetzen ist, und eine Bescheinigung auf seinen Namen ausstellen. Wird kein Depot unterhalten, hat das Kreditinstitut entsprechende Ermittlungen anzustellen. Z. B. kann die Einlösung des Dividendenscheins davon abhängig gemacht werden, dass sich dessen Inhaber durch entsprechende Dokumente (Pass, Personalausweis) ausweist. Hat das Kreditinstitut Zweifel daran, ob das Depot dem Anteilseigner zuzurechnen ist, dürfte es aus Vereinfachungsgründen zulä...

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