Rz. 1036

Das Merkmal der finanziellen Eingliederung in § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG spricht an sich dafür, dass Organträger immer nur ein einziges Unternehmen sein kann; die Mehrheit der Stimmrechte kann regelmäßig nur einer einzigen Person zustehen. Trotzdem hatte die Praxis Gestaltungen entwickelt, bei denen organschaftsähnliche Verhältnisse zu 2 oder mehr Unternehmen unterhalten werden konnten. Diese Gestaltungen wurden unter der Bezeichnung "Mehrmütterorganschaft" zusammengefasst. Dabei schlossen sich mehrere gewerbliche Unternehmen lediglich zwecks einheitlicher Willensbildung gegenüber einer Kapitalgesellschaft zu einer GbR zusammen. Die finanzielle Eingliederung erfolgte dann aufgrund der Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter der GbR. Organträger war die GbR als Personengesellschaft. Der Ergebnisabführungsvertrag wurde daher zwischen Organgesellschaft und GbR abgeschlossen, das Einkommen der Organgesellschaft wurde an die GbR abgeführt und den Gesellschaftern der GbR über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung zugerechnet. Dagegen gelang die "Durchschleusung" des Gewerbeertrags der Organgesellschaft zu den Muttergesellschaften nicht. Da die GbR als Mitunternehmerschaft selbst gewerbesteuerpflichtig war, wurde der Gewerbeertrag der Organgesellschaft bei der GbR, nicht bei den Muttergesellschaften erfasst.

 

Rz. 1037

Der BFH entschied jedoch zur gewerbesteuerlichen Mehrmütterorganschaft, dass Organträger nicht die GbR, sondern die dahinterstehenden Muttergesellschaften seien. Dadurch wurden auch die Gewerbeerträge unmittelbar den Muttergesellschaften zugerechnet und konnten dort mit eigenen positiven oder negativen Gewerbeerträgen zusammengefasst werden.[1]

Daraufhin wurde durch Gesetz v. 20.12.2001[2] die Mehrmütterorganschaft in § 14 Abs. 2 KStG rückwirkend geregelt, und zwar grundsätzlich in einer Weise, die der h. M. vor dem genannten BFH-Urteil entsprach. Durch Gesetz v. 16.5.2003[3] wurde Abs. 2 jedoch wieder gestrichen und damit die Möglichkeit, eine Mehrmütterorganschaft zu bilden, ab Vz 2003 ersatzlos beseitigt. Ebenfalls durch das Gesetz v. 16.5.2003, a. a. O. wurden Ersatzgestaltungen durch Bildung einer atypischen oder typischen Gesellschaft ausgeschlossen. Nach § 15 Abs. 4 S. 6-8 EStG dürfen Verluste aus atypischer stiller Gesellschaft, Unterbeteiligungen oder sonstigen Innengesellschaften an Kapitalgesellschaften nicht mit positiven Einkünften ausgeglichen werden, wenn der Mitunternehmer keine natürliche Person ist. Ein Ausgleich ist nur mit positiven Einkünften aus derselben Beteiligung möglich. Für eine typische stille Gesellschaft gilt nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG Entsprechendes.

 

Rz. 1038

Die Beendigung der Mehrmütterorganschaft durch die Gesetzesänderung führte nicht zur Auflösung der GbR und nicht zur Beendigung des Gewinnabführungsvertrags. Wird einer der Gesellschafter der GbR, z. B. durch Anwachsung, Rechtsnachfolger der GbR, wird er Vertragspartner des Gewinnabführungsvertrags. Es kann dann eine Organschaft zu dem Alleingesellschafter bzw. Mehrheitsgesellschafter bestehen. Dass ab der Gesetzesänderung keine Organschaft bestand, ist nach den Grundsätzen der "Organschaftspause"unschädlich.[4]

[2] BStBl I 2002, 35 i. V. m. § 34 Abs. 9 Nr. 1 a. F. KStG .
[3] BStBl I 2003, 321.
[4] BFH v. 10.5.2017, I R 51/15, BStBl II 2018, 30, BFH/NV 2017, 1552; Hemme, Ubg 2017, 678; zur Organschaftspause Rz. 277.

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