7.6.1 Allgemeines

 

Rz. 1000

Kommt es infolge einer Umwandlung zu Mehr- oder Minderabführungen der Organgesellschaft, stellen sich im Wesentlichen zwei Fragen: Die erste Frage ist, ob es sich bei den Mehr- oder Minderabführungen um Vorgänge handelt, die ihre Ursache in organschaftlicher oder in vororganschaftlicher Zeit haben. Die Frage ist bedeutsam, da Mehr- und Minderabführungen mit Ursache in organschaftlicher Zeit nach § 14 Abs. 4 KStG zu Ausgleichsposten in der Steuerbilanz des Organträgers führen, die keine unmittelbaren steuerlichen Auswirkungen haben, während Mehr- und Minderabführungen mit Ursache in vororganschaftlicher Zeit nach § 14 Abs. 3 KStG als Gewinnausschüttungen und Einlagen behandelt werden, wobei die Gewinnausschüttungen eine unmittelbare steuerliche Belastung nach § 8b Abs. 5 KStG bzw. § 3 Nr. 40 EStG zur Folge haben. Die zweite Frage besteht darin, ob bilanzierte Ausgleichsposten bei der Umwandlung bestehen bleiben oder aufzulösen sind.

7.6.2 Organschaftliche oder vororganschaftliche Verursachung

 

Rz. 1001

Ist die Organgesellschaft übernehmender Rechtsträger einer Umwandlung und fällt der Umwandlungsstichtag auf den Schluss des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft, kann die Auffassung vertreten werden , dass der Übernahmegewinn steuerlich in dem Wirtschaftsjahr entsteht, in das der steuerliche Übertragungsstichtag fällt, während er sich in der Handelsbilanz erst in dem Wirtschaftsjahr auswirkt, in dem die Umwandlung wirksam wird, also erst im Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister. Diese Ansicht hätte zur Folge, dass im ersten Jahr eine Minderabführung, in den folgenden Jahren eine Mehrabführung entsteht, die alle in vororganschaftlicher Zeit verursacht sind. Damit würde bei Umwandlungen auf die Organgesellschaft zwingend Mehrabführungen nach § 14 Abs. 3 UmwStG und damit fiktive Gewinnausschüttungen entstehen, die zu Steuerbelastungen nach § 8b Abs. 3 KStG bzw. § 3 Nr. 40 EStG führen. Der Umwandlungssteuererlass v. 11.11.2011[1] sprach im Gegensatz zu dem Entwurf diese Frage nicht an, enthielt daher auch nicht die gegenteilige Ansicht. Die Neufassung des Umwandlungssteuererlasses schließt sich dagegen der in Rz. 1002 geschilderten Rechtsprechung des BFH an und sieht den Vorgang als organschaftlich veranlasst nach § 14 Abs. 4 KStG an.[2]

 

Rz. 1002

Nach Ansicht des BMF ist "vororganschaftlich" i. S. d. § 14 Abs. 3 KStG als "außerorganschaftlich" zu verstehen.[3] Diese Ansicht würde dazu führen, dass die unterschiedlichen Zeitpunkte des Entstehens des Übernahmegewinns zwingend zu Mehr- und Minderabführungen führen würden. Dem ist aber nicht zuzustimmen. Abgesehen davon, dass diese Ansicht sehr formal ist und keine Rechtfertigung für die hierdurch hervorgerufene Steuerbelastung bietet, entspricht sie auch nicht dem Gesetz. Selbst wenn man von der Ansicht des BMF a. a. O. von der "außerorganschaftlichen" Verursachung ausgeht, könnten Mehr- und Minderbelastungen mit außerorganschaftlicher Verursachung nur durch Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz der übertragenden Körperschaft entstehen, also allenfalls im Zusammenhang mit dem Übertragungsgewinn.[4] In dem hier besprochenen Fall entstehen die Differenzen aber im Zusammenhang mit dem Übernahmegewinn, d. h. in der Bilanz der Organgesellschaft als übernehmender Körperschaft. Der Übernahmegewinn wird erstmals in der Bilanz der Organgesellschaft erfasst. Erstmals und ausschließlich bei der Organgesellschaft eingetretene Bilanzierungsdifferenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz können aber nicht "außerorganschaftlich" oder vororganschaftlich sein, sondern sind, da sie erstmals in der Bilanz der Organgesellschaft, und damit bei bestehender Organschaft, auszuweisen sind, immer "organschaftlich". Wie das BMF selbst wiederholt ausführt, ist die Umwandlung eine Veräußerung.[5] Der Fall ist also so zu behandeln, als hätte der übernehmende Rechtsträger die Beteiligung an dem übertragenden Rechtsträger veräußert und die Wirtschaftsgüter des übertragenden Rechtsträgers angeschafft. Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäfte der Organgesellschaft, die in der Bilanz der Organgesellschaft abgebildet werden, haben aber immer organschaftliche Verursachung, und zwar unabhängig davon, ob es sich um schuldrechtliche Geschäfte mit Einzelrechtsübertragung oder um Umwandlungsvorgänge mit Gesamtrechtsnachfolge handelt. Hierdurch entstehende Mehr- und Minderabführungen haben daher organschaftliche Ursachen und sind durch Ausgleichsposten nach § 14 Abs. 4 KStG zu erfassen. Sie führen also nicht zu Gewinnausschüttungen und Einlagen nach § 14 Abs. 3 KStG. Die gegenteilige Ansicht entbehrt jeder Rechtsgrundlage.[6]

 

Rz. 1003

Ebenfalls nicht aufrecht erhalten hat das BMF die Auffassung, der Ansatz des übergehenden Vermögens in der Handelsbilanz der Organgesellschaft als übernehmendem Rechtsträger mit Verkehrswerten, in der Steuerbilanz mit Buchwerten, führe zu vororganschaftlich verursachten Mehr- und Minderabführungen und sei nach § 14 Abs. 3 KStG zu behandeln.[7] Auch diese Ansicht entbehrt jedoch jeder Rechtsgrundlage. Es handelt sic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge