5.2.1 Allgemeines und Systematik

 

Rz. 739

§ 14 Abs. 3 KStG enthält eine besondere Regelung, falls Mehr- oder Minderabführungen aus Geschäftsvorfällen aus vororganschaftlicher Zeit resultieren. Die Vorschrift soll verhindern, dass die steuerlichen Auswirkungen der vor Anwendbarkeit der Organschaftsregeln realisierten Geschäftsvorfälle in die organschaftliche Zeit verlagert werden.[1]

Dabei ist auf den einzelnen Geschäftsvorfall abzustellen.[2]

 

Rz. 740

Der Grundfall ist eine vor Beginn der Organschaft handelsrechtlich gebildete, steuerrechtlich aber nicht anerkannte Rückstellung, die nach dem Abschluss des Ergebnisabführungsvertrags aufgelöst und an den Organträger abgeführt wird. Beispiele sind Drohverlustrückstellungen. Sonderfälle sind steuerrechtliche Rücklagen, bei denen in einem Wirtschaftsjahr vor der Organschaft handelsrechtlich Aufwand gebucht, steuerlich aber nicht anerkannt wurde, z. B. durch Abwertungen oder Abschreibungen. In Wirtschaftsjahren nach Abschluss des Gewinnabführungsvertrags entsteht dieser Aufwand dann steuerlich, z. B. durch steuerliche Abschreibung des handelsrechtlich schon voll abgeschriebenen Wirtschaftsguts. Diese Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass der Aufwand in die Zeit der Organschaft verlagert wird. Dadurch weichen Handels- und Steuerbilanz in den Folgejahren voneinander ab. Der Steuerbilanzgewinn ist um die nachgeholte Aufwandsverrechnung niedriger, damit ist die handelsrechtliche Gewinnabführung höher als das steuerrechtliche Ergebnis. Dies ist insbes. eine Folge von Betriebsprüfungen von Organgesellschaften für vororganschaftliche Zeiträume, die nach Wirksamwerden des Ergebnisabführungsvertrags durchgeführt werden.[3]

 
Praxis-Beispiel

(1) Die Kapitalgesellschaft schreibt ein Wirtschaftsgut über 5 Jahre ab. Bei der Außenprüfung einigen sich Prüfer und Stpfl. auf eine Abschreibung über 10 Jahre, die in der Steuerbilanz berücksichtigt wird.

Steuerlich entsteht in dem Jahr der Korrektur ein geringerer Aufwand (stpfl. Mehrgewinn), dem mangels Anpassung der Handelsbilanz kein handelsrechtlicher Gewinn gegenübersteht. In den Folgejahren ist die steuerrechtliche Abschreibung höher als die handelsrechtliche, da die Abschreibung handelsrechtlich bereits in den Vorjahren vorgenommen worden ist. Der Handelsbilanzgewinn wird in den Folgejahren also höher sein als der Steuerbilanzgewinn. Besteht für diese Folgejahre eine Organschaft, entsteht eine "Mehrabführung", d. h., es wird handelsrechtlich ein höheres als das steuerrechtliche Ergebnis abgeführt.

(2) Die Kapitalgesellschaft bildet handelsrechtlich eine Rückstellung, die steuerrechtlich (noch) nicht anzuerkennen ist. Es entsteht damit steuerrechtlich in vororganschaftlicher Zeit ein höherer Gewinn als handelsrechtlich; dieser Gewinn ist zu versteuern. Realisiert sich später das Risiko, das die Rückstellung berücksichtigt, wird der Aufwand handelsrechtlich gegen die Rückstellung gebucht; es tritt also handelsrechtlich keine Gewinnminderung ein. Steuerrechtlich entsteht der Aufwand dagegen erstmalig, d. h., das Steuerbilanzergebnis ist niedriger als das Handelsbilanzergebnis; besteht Organschaft, liegt eine "Mehrabführung" vor.

(3) Wie Fall 2, es stellt sich aber während der Organschaft heraus, dass das Risiko nicht besteht, die handelsrechtliche Rückstellung wird aufgelöst. Damit entsteht handelsrechtlich erstmalig ein Gewinn, dem im Jahr der Auflösung der Rückstellung kein steuerlicher Gewinn gegenübersteht. Es tritt ebenfalls eine "Mehrabführung" ein.

 

Rz. 741

Vor Begründung der Organschaft wurde in allen derartigen Fällen ein Steuerbilanzgewinn ausgewiesen und versteuert. Mangels eines Ausweises kann dieser Gewinn handelsrechtlich nicht ausgeschüttet werden. Denn handelsrechtlich wird der Gewinn erst nach Abschluss des Ergebnisabführungsvertrags ausgewiesen. Die Folgen der Doppelbelastung bei dem Anteilseigner können daher mangels einer Gewinnausschüttung nicht gezogen werden. Der steuerrechtliche Gewinn ist jedoch latent mit den Folgen einer Gewinnausschüttung und damit der stpfl. Erfassung bei dem Anteilseigner belastet, die eintreten sollen, wenn dieser Gewinn dem Anteilseigner zufließt. Diese latente Belastung soll durch die Verlagerung des Vorgangs in die organschaftliche Zeit nicht beseitigt werden können. Bei Bestehen der Organschaft ist eine Ausschüttung des während der Organschaft erzielten Handelsbilanzergebnisses nicht möglich, da dieses Ergebnis an den Gesellschafter abgeführt wird.[4] Letztlich fließt dem Gesellschafter also dieses Ergebnis zu, wenn auch handelsrechtlich nicht in Form einer Gewinnausschüttung, sondern in Form der Ergebnisabführung. Es entsteht eine "Mehrabführung", d. h. ein Handelsbilanzergebnis der Organgesellschaft, das an den Organträger aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags abgeführt wird, das jedoch höher ist als das Steuerbilanzergebnis. Diese Mehrabführung wird steuerlich als Gewinnausschüttung behandelt.

 

Rz. 742

Theoretisch kann es auch zu einer "Minderabführung" kommen, also dazu, dass das abgeführte Handelsbilanzergebnis nie...

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