Rz. 613

Die Organgesellschaft ist, abgesehen von der KSt auf das eigene Einkommen, nicht Schuldner der auf die bei ihr verwirklichten Besteuerungsgrundlagen entfallenden Steuer, für die die Organschaft von Bedeutung ist. Schuldner dieser Steuern ist der Organträger. Die Organgesellschaft haftet aber nach § 73 AO für die Steuern, für die die Organschaft von Bedeutung ist.[1] Die Haftung erfasst nur solche Steueransprüche, für die die Organschaft "zwischen ihnen", d. h. zwischen Organträger und Organgesellschaft von Bedeutung ist. Es ist also auf das konkrete, zweipersonale Organschaftsverhältnis abzustellen. Das bedeutet einmal, dass darauf abzustellen ist, für welche Steuerarten das konkrete Organschaftsverhältnis besteht. Besteht z. B. nur eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft, ergreift die Haftung nur die KSt und GewSt, nicht dagegen die USt. Außerdem bedeutet die Beschränkung auf das konkrete Organschaftsverhältnis, dass die Haftung auf die durch das konkrete Organschaftsverhältnis verursachten Steuern beschränkt ist. Diese Haftung erfasst daher nur die Steuer, die auf das dem Organträger zugerechnete Einkommen der jeweiligen Organgesellschaft anteilig entfällt. Die Haftung erfasst nicht diejenigen Steuern, die auf Besteuerungsgrundlagen des Organträgers und anderer Organgesellschaften entfallen. Die Ansicht der Finanzverwaltung, dass eine entsprechende Begrenzung der Haftung im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmen sei, greift daher zu kurz.[2]

Vielmehr ergibt sich diese Beschränkung der Haftung aus Rechtsgründen.[3]

Der Ausdruck, dass die Organschaft steuerlich von Bedeutung sein muss, bedeutet aber nicht, dass der Steueranspruch während des Bestehens der Organschaft entstanden sein muss. Es genügt, dass der Organträger bei der Organgesellschaft verwirklichte Besteuerungsgrundlagen zu versteuern hat. Diese Situation kann insbesondere in Insolvenzfällen bei der USt eintreten, wenn die Steuer für einen Voranmeldungszeitraum, in den die Insolvenzeröffnung und damit das Ende der Organschaft fällt, erst nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht.[4]

Für mittelbare Organschaften bedeutet die Beschränkung auf das zweipersonale Organschaftsverhältnis, dass eine Haftung der Organgesellschaft nur in Betracht kommt, wenn zwischen Mutter- und Enkelgesellschaft ein direktes Organschaftsverhältnis besteht. Bei einer Organschaftskette ist die Situation jedoch anders. In diesem Fall kann sich die Haftung nur aus dem Organschaftsverhältnis zwischen Enkelgesellschaft als Organgesellschaft und Tochtergesellschaft als Organträger ergeben. Da die Tochtergesellschaft jedoch selbst Organgesellschaft der Muttergesellschaft ist, ergibt sich bei ihr aus der Zurechnung des Einkommens der Enkelgesellschaft keine KSt oder GewSt. Damit kann auch keine Haftung der Enkelgesellschaft angenommen werden. Zwar führt das Einkommen der Enkelgesellschaft bei dem obersten Organträger zu einer KSt und einer GewSt, "zwischen ihnen" (so der Wortlaut des § 73 AO), d. h. zwischen Enkelgesellschaft und obersten Organträger, besteht aber unmittelbar keine Organschaft. Das schließt eine Haftung der Enkelgesellschaft für Steuern des obersten Organträgers aus. Für tiefer gestaffelte Organschaftsverhältnisse gilt Entsprechendes.[5]

 

Rz. 613a

Die in Rz. 613 zitierte Rechtsprechung, dass § 73 AO nur in einem Zwei-Personen-Verhältnis anwendbar sei, hat zu einer Änderung des § 73 S. 2 AO mit Wirkung für Haftungstatbestände geführt, die ab 18.12.2019 verwirklicht werden.[6]

Nach der Neuregelung sollen im Fall von Organschaftsketten alle nachgeordneten Organgesellschaften als Gesamtschuldner haften. M.E. ist die Haftung bei der jeweiligen Organgesellschaft auf denjenigen Betrag begrenzt, der von der Steuerschuld des obersten Organträgers auf das von der jeweiligen Organgesellschaft dem Organträger zugerechnete Einkommen entfällt. Eine Organgesellschaft, die selbst Organträger in der Organschaftskette ist, haftet daher für die gesamte auf ihr Einkommen entfallende Steuer des obersten Organträgers, auch soweit dieses Einkommen auf den Ergebnissen der nachgeordneten Organgesellschaften beruht.

Der Zeitpunkt der Verwirklichung des Haftungstatbestandes, der für die Anwendung des § 73 S. 2 AO maßgebend ist, ist nach AEAO zu § 73 Ziff. 4 der Zeitpunkt des Entstehens der Steuer bei dem obersten Organträger. Zu diesem Zeitpunkt muss auch das Organschaftsverhältnis bestehen. Auf die Fälligkeit der Steuer kommt es daher nicht an.

 

Rz. 613b

Der Haftungsbetrag führt bei der Organgesellschaft zu Betriebsausgaben, deren Abzug nicht durch § 10 Nr. 2 KStG ausgeschlossen ist. Es handelt sich um einen Haftungsbetrag, nicht um eine Steuer. Da die AO klar zwischen Steuern und Haftungsbeträgen unterscheide, können eine Vorschrift über Steuern nicht ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung auf Haftungsbeträge übertragen werden.[7]

Die Rechtsprechung geht jedoch davon aus, dass in der Vermögensminderung durch eine Rückstellung des Haftungsbetrags bzw. durch dessen ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge