Rz. 365a

Werden an außenstehende Gesellschafter Ausgleichszahlungen geleistet, stellt sich die Frage, ob dann noch der "ganze Gewinn" an den Organträger abgeführt wird, da durch die Ausgleichszahlungen ein Teil des Gewinns (vor Ergebnisabführung) an die außenstehenden Gesellschafter übertragen wird.[1] Unschädlich ist dabei jedenfalls eine Ausgleichszahlung, die dem Mindestbetrag des § 304 Abs. 2 S. 1 AktG entspricht. Schreibt das Handelsrecht eine Ausgleichszahlung mindestens in dieser Höhe vor, kann das Steuerrecht daran keine ungünstigen Rechtsfolgen knüpfen. Die Ausgleichszahlung nach dieser Vorschrift stellt einen festen Betrag dar, dessen Höhe sich zwar nach den Gewinnaussichten der Organgesellschaft richtet, aber nicht entsprechend dem Jahresgewinn der Organgesellschaft vor Ergebnisabführung fluktuiert. Da es sich insoweit um einen Mindestbetrag handelt, ist handelsrechtlich auch eine höhere Ausgleichszahlung möglich. Da die Ausgleichszahlung dem Schutz der Minderheitsgesellschafter dient, verstößt eine höhere Ausgleichszahlung nicht gegen handelsrechtliche Regelungsprinzipien. Steuerlich stellt sich jedoch die Frage, ob bei einer Leistung höherer Ausgleichszahlungen, insbesondere bei Leistung von Ausgleichszahlungen, deren Höhe von dem jeweiligen Jahresgewinn der Organgesellschaft vor Gewinnabführung abhängt, noch eine "Abführung des ganzen Gewinns" vorliegt.

 

Rz. 365b

Der BFH hatte entschieden, dass auch durch Ausgleichszahlungen dem Minderheitsgesellschafter kein Anteil am laufenden Gewinn der Organgesellschaft zufließen dürfe, da dann nicht der "ganze" Gewinn an den Organträger abgeführt werde. Sonst würde der Minderheitsgesellschafter so gestellt, wie er stehen würde, wenn keine Gewinnabführung erfolgen würde. Eine vom laufenden Gewinn der Organgesellschaft abhängige Ausgleichszahlung, jedenfalls wenn sie in einem Verhältnis gezahlt wird, das auch ohne Gewinnabführung für die Gewinnverteilung gelten würde, sollte daher die Organschaft zerstören. Dies sollte nur dann nicht gelten, wenn sich die Höhe der Ausgleichszahlung nach dem Gewinn des Organträgers richtet, da diese Form der Ausgleichszahlung ausdrücklich in § 304 Abs. 2 S. 2 AktG vorgesehen ist.[2]

Der BFH a. a. O. begründet seine Entscheidung damit, dass es sonst die Gesellschafter in der Hand hätten, den Gewinn beliebig zwischen Organträger und außenstehenden Gesellschaftern zu verteilen.

 

Rz. 365c

Durch Gesetz v. 11.12.2018[3] ist daraufhin ein neuer Abs. 2 in § 14 KStG eingefügt worden, wodurch eine höhere Ausgleichszahlung als der Mindestbetrag nach § 304 Abs. 2 S. 1 AktG, auch in Form einer variablen Ausgleichszahlung, zugelassen wird. Die Ansicht der Finanzverwaltung hat das BMF in einem Schreiben v. 4.3.2020 niedergelegt.[4] Die Regelung erfasst nur den Fall, dass sich die Ausgleichszahlung zwar als Mindestbetrag nach dem durchschnittlichen Gewinn der Organgesellschaft als Festbetrag richtet, also den Fall des § 304 Abs. 2 S. 1 AktG, zusätzlich aber eine darüberhinausgehende Ausgleichszahlung vereinbart wird. Nicht von der Neuregelung erfasst wird der Fall, dass die Ausgleichszahlung nach dem Gewinn des Organträgers bemessen wird, also die Regelung des § 304 Abs. 2 S. 2 AktG angewendet wird. Nur für die Bemessung der Ausgleichszahlung nach dem Gewinn der Organgesellschaft nach § 304 Abs. 2 S. 1 AktG enthält die Neuregelung in S. 1 den Grundsatz der Zulässigkeit einer höheren Ausgleichszahlung, in S. 2 dagegen eine Begrenzung. § 14 Abs. 2 KStG soll nach der Finanzverwaltung auch für die Bemessung der Ausgleichszahlung nach dem Gewinn des Organträgers nach § 304 Abs. 2 S. 2 AktG gelten; hierzu Rz. 365d. Eine dem § 304 Abs. 2 S. 2 AktG entsprechende Ausgleichszahlung ist jedoch ohne Begrenzung nach steuerlichen Regeln anzuerkennen, da sie der handelsrechtlichen gesetzlichen Regelung entspricht. Eine steuerliche Begrenzung erscheint auch nicht notwendig, da § 304 Abs. 2 S. 2 AktG bereits eine solche Begrenzung enthält. Danach darf die Ausgleichszahlung höchstens dem Betrag entsprechen, der auf die Anteile an der abhängigen Gesellschaft als Gewinn entfallen würde. Dies entspricht der Begrenzung des § 14 Abs. 2 S. 2 KStG.[5] Nach § 14 Abs. 2 S. 1 KStG ist es nicht schädlich, wenn eine über den Mindestbetrag des § 304 Abs. 2 S. 1 AktG hinausgehende Ausgleichszahlung vereinbart wird. Dies betrifft sowohl eine darüber hinausgehende Ausgleichszahlung, die in einem festen Betrag vereinbart ist, als auch eine variable, am laufenden Gewinn der Organgesellschaft für das jeweilige Wirtschaftsjahr vor Ergebnisabführung orientierte Ausgleichszahlung, sowie eine Kombination von beidem.[6] Im Ergebnis ist damit eine feste Ausgleichszahlung, eine variable am Gewinn der Organgesellschaft orientierte Ausgleichszahlung oder eine Kombination beider Berechnungsmethoden zulässig.

 

Rz. 365d

Unklar ist, ob der Höchstbetrag nur für Ausgleichszahlungen gilt, die von der Organgesellschaft geleistet werden, oder auch für die von dem Organträger geleisteten Zahlungen. Der...

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