Rz. 328

Die Auslegung von Gewinnabführungsverträgen unterliegt besonderen Regeln. Dies ergibt sich daraus, dass der Gewinnabführungsvertrag ein korporationsrechtlicher Organisationsvertrag ist[1] und damit die Verfassung der Körperschaft beeinflusst. Korporationsrechtliche Regeln haben, anders als Verträge über Lieferungs- und Leistungsbeziehungen, nicht nur Bedeutung für das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien, sondern darüber hinaus auch für einen unbestimmten Personenkreis, insbesondere Gläubiger und künftige Gesellschafter der Körperschaft. Da ein Unternehmensvertrag materiell satzungsgleiche Wirkungen hat, sind an ihn hinsichtlich der Auslegung die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die der Satzung. Umstände, für die in dem Gewinnabführungsvertrag keine ausreichenden Anhaltspunkte enthalten sind, können daher zur Auslegung nicht herangezogen werden. Das verbietet es, bei der Auslegung auf die Absichten, Kenntnisse und übereinstimmenden Intentionen der Vertragsparteien abzustellen, wenn diese nicht in dem Vertragstext deutlich geworden sind. Das gilt auch für Umstände, die allgemein bekannt sind und deren Kenntnis bei den am Rechtsverkehr Beteiligten daher vorausgesetzt werden kann. Die Auslegung hat vielmehr nach objektiven Gesichtspunkten unter Verwendung des Wortlauts, des Sinns und Zwecks der Regelung und des systematischen Bezugs einer Klausel des Vertrags zu anderen Klauseln zu erfolgen. Dabei können nur Umstände herangezogen werden, die ein Dritter dem Vertrag und den allgemein zugänglichen, insbesondere den zum Handelsregister eingereichten Unterlagen entnehmen kann. Das schließt die Berücksichtigung der Vorstellungen der Parteien, auch von übereinstimmenden und der jeweils anderen Vertragspartei bekannten Vorstellungen, der Entstehungsgeschichte des Vertrags, des Inhalts der Verhandlungen zwischen den Parteien, von Vertragsentwürfen und sonstigen Äußerungen der Vertragsparteien aus. Auch die Überschrift des Vertrags als "Organschaftsvertrag" oder ähnliche Formulierungen genügen nicht für eine Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut der einzelnen Bestimmungen.[2] Im Ergebnis ist § 133 BGB auf korporationsrechtliche Unternehmensverträge nur eingeschränkt anwendbar. Der Grundsatz "falsa demonstration non nocet" kann daher nur eingeschränkt gelten. Abweichungen von dem Vertragstext können folglich nur dann zugrunde gelegt werden, wenn sich aus allgemein zugänglichen Unterlagen ergibt, dass es sich um ein bloßes Redaktionsversehen handelt.[3] Das setzt aber voraus, dass die Unrichtigkeit so offensichtlich ist, dass sie auch ein außenstehender Dritter ohne Weiteres bemerken wird. Auch insoweit können Vorstellungen und Absichten der Parteien nicht berücksichtigt werden. Eine offenbare Unrichtigkeit liegt nicht schon deshalb vor, weil die Regelungen des Ergebnisabführungsvertrags nicht den Vorstellungen und Absichten der Parteien entsprechen. Die offenbare Unrichtigkeit muss sich vielmehr eindeutig aus den beim Handelsregister eingereichten Unterlagen ergeben. Ein solcher Fall wird regelmäßig nicht vorliegen. Ein Vergleich mit am selben Tag mit Schwestergesellschaften abgeschlossenen Gewinnabführungsverträgen ist nicht ausreichend, da diese im Verfahren der Organgesellschaft nicht bekannt sind und für außenstehende Dritte auch nicht sicher erkennbar ist, dass die Verträge wortgleich sein sollten. Aus steuerlicher Sicht kommt hinzu, dass die auf einem Ergebnisabführungsvertrag beruhende Organschaft zu einem Wechsel des Steuersubjekts führt. Es muss daher aus objektiver Sicht feststellbar sein, wem das Einkommen der Organgesellschaft zuzurechnen ist. Dies schließt die Berücksichtigung subjektiver Elemente aus. Daran ändert auch die Notwendigkeit des Schutzes der Gläubiger der Organgesellschaft nichts, da aus dem Gläubigerschutz heraus nicht bestimmt werden kann, wem das Einkommen zuzurechnen ist.[4]

 

Rz. 329

Hieraus folgt auch, dass ein Unternehmensvertrag von einem Revisionsgericht in vollem Umfang selbstständig ausgelegt werden kann, also keine Bindung an eine mögliche Auslegung durch das Instanzgericht besteht.[5]

 

Rz. 330

Ungeklärt ist die Rechtslage, wenn der Ergebnisabführungsvertrag notariell beurkundet wurde. Die notarielle Beurkundung ist, anders als beim Zustimmungsbeschluss, nicht erforderlich.[6] Ist trotzdem eine Beurkundung erfolgt, fragt sich, welche Wirkung ein Nachtragsvermerk des beurkundenden Notars nach § 44a BeurkG zur Richtigstellung einer offensichtlichen Unrichtigkeit in der Urkunde hat.[7] Aus der Ansicht des BFH[8] zur objektiven Auslegung des Gewinnabführungsvertrags wird man folgern müssen, dass der Nachtragsvermerk erst ab seiner Erstellung und, da es auf die Kenntnismöglichkeit eines Dritten ankommt, seiner Einreichung beim Handelsregister Wirkung haben kann. Dann kann aber der Fehler im Gewinnabführungsvertrag nicht ex tunc geheilt werden, weil ein Dritter vor diesem Zeitpunkt nicht die Möglichkeit hatte, den Fehler aus allgemein zugänglichen Unterlagen zu erkennen. De...

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