Rz. 327a

Organträger kann eine Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland, nur mit Sitz oder nur mit Geschäftsleitung im Inland oder ohne Sitz und Geschäftsleitung, aber mit einer Betriebsstätte im Inland sein. Organgesellschaft kann eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland oder mit Geschäftsleitung im Inland, aber Sitz in einem EU- oder EWR-Staat sein. In allen Fällen, in denen der Organträger oder die Organgesellschaft den Sitz und/oder die Geschäftsleitung im Ausland hat, stellt sich die Frage, ob ein Gewinnabführungsvertrag i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 1 KStG abgeschlossen werden kann.

 

Rz. 327b

Ein Gewinnabführungsvertrag stellt für die Organgesellschaft, nicht aber für den Organträger, einen materiell satzungsändernden Vorgang dar, da hierdurch die eigene Gewinnerzielungsabsicht zugunsten der Gewinnerzielungsabsicht der Muttergesellschaft aufgegeben wird.[1] Dagegen hat der Gewinnabführungsvertrag für die herrschende Gesellschaft keine materiell satzungsändernde Wirkung, sodass ihr Gesellschaftsstatut nicht betroffen ist. Es richtet sich daher nur nach dem Gesellschaftsstatut der Tochtergesellschaft, ob ein solcher Vertrag möglich ist und welche Wirkungen er hat.[2] Daher kann eine Kapitalgesellschaft, die Sitz und Geschäftsleitung im Inland hat, als Organgesellschaft einen Ergebnisabführungsvertrag unabhängig davon abschließen, welchem Gesellschaftsstatut der Organträger unterliegt. § 305 Abs. 2 Nrn. 1, 2 AktG geht wie selbstverständlich davon aus, dass solche Verträge mit einer ausl. herrschenden Gesellschaft möglich sind.[3] Hat eine Organgesellschaft dagegen ihre Geschäftsleitung im Inland, ihren Sitz aber im EU- oder EWR-Ausland, wird sie einem ausl. Gesellschaftsstatut unterliegen. Die Zulässigkeit und die Wirkungen eines Gewinnabführungsvertrags hängen dann von dem ausl. Recht ab.[4] Ausl. Rechtsordnungen kennen das Institut des Gewinnabführungsvertrags häufig nicht; damit ist jedoch nicht gesagt, dass ein solcher Vertrag unzulässig ist. Es kann im Rahmen der Vertragsfreiheit nach dem jeweiligen ausl. Recht möglich sein, einen Vertrag abzuschließen, auch wenn das ausl. Recht für einen solchen Vertrag keine Regelungen enthält.[5] Die Unzulässigkeit eines Gewinnabführungsvertrags kann sich dann jedoch aus Grundprinzipien des ausl. Gesellschaftsrechts ergeben, etwa indem eine mit einem Gewinnabführungsvertrag verbundene Reduzierung der Verantwortlichkeit der Geschäftsführung der Organgesellschaft nicht zulässig ist. Das ist etwa im englischen Gesellschaftsrecht der Fall. Ist der Gewinnabführungsvertrag nach ausl. Gesellschaftsrecht zulässig, bestimmen sich auch Form und Zustimmungserfordernisse nach dem ausl. Gesellschaftsrecht. Steuerlich ist der Ergebnisabführungsvertrag nur dann der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn er sowohl nach dem Recht der beherrschten als auch nach dem der herrschenden Gesellschaft zivilrechtlich wirksam ist.

 

Rz. 327c

Ist ein Gewinnabführungsvertrag nach ausl. Recht nicht zulässig, stellt sich die Frage, ob dieser durch andere, nach ausl. Recht zulässige Vereinbarungen ersetzt werden kann. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass eine einer AG oder KGaA vergleichbare Gesellschaft, die ihren Sitz im Ausland hat, nach § 14 Abs. 1 S. 1 KStG einen Gewinnabführungsvertrag "i. S ." des § 291 Abs. 1 AktG abschließen muss, also keinen "Gewinnabführungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG". Das lässt die Interpretation zu, dass ein Vertrag mit vergleichbaren Wirkungen ausreicht, auch wenn es sich nicht um einen Gewinnabführungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG handelt. Für andere ausl. Rechtsformen ist auf § 17 KStG abzustellen.[6] Danach genügt ein Vertrag, mit dem sich die Organgesellschaft verpflichtet, ihren ganzen Gewinn abzuführen, wobei zusätzlich die Abführungsgrenze des § 301 AktG beachtet und die Verlustübernahme nach § 302 AktG vereinbart werden muss. Somit genügt schon für inl. Kapitalgesellschaften ein Vertrag, der im strengen Sinne kein Gewinnabführungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG ist, sondern durch besondere Bestimmungen nur eine Vergleichbarkeit sicherstellt. Diese Möglichkeit steht daher auch ausl. Gesellschaftsformen offen.[7] Hinzu kommt, dass doppelt ansässige Gesellschaften nur bei einem Sitz in einem EU- bzw. EWR-Staat Organgesellschaften sein können. Eine engere Auffassung als die in § 17 KStG genannte würde daher gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV bzw. gegen die entsprechende Bestimmung des EWR-Vertrags verstoßen. Es geht hier nicht um eine ausl. Organgesellschaft mit inl. Organträger[8], sondern um die Organschaft einer Kapitalgesellschaft ausl. Rechts zu einem inl. Organträger. Bedeutung hat diese Frage bis zum Inkrafttreten des Brexits insbesondere für die große Zahl der englischen Limiteds, die ihren Sitz in England, ihre Geschäftsleitung aber in Deutschland haben.[9]

Bedenken gegen diese Auffassung werden aus dem Wortlaut des § 17 KStG abgeleitet, der auf § 14 KStG und damit auch auf die Notwendigkeit des Gewinnabfüh...

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