1.4.1 Allgemeines

 

Rz. 38

Die Organschaft nach den §§ 14ff. KStG war ursprünglich für reine Inlandssachverhalte konzipiert. Die Organgesellschaft musste Sitz und Geschäftsleitung im Inland haben. Ebenso musste der Organträger bis zum Vz 2000 Geschäftsleitung und Sitz im Inland haben.[1] In beiden Fällen warf der "doppelte Inlandsbezug" europarechtliche Probleme auf, sodass er sukzessive aufgegeben wurde, zuerst für den Organträger[2], dann für die Organgesellschaft.[3] Die Beschränkung auf das Inland gilt auch für ausl. Rechtsträger, da diese nur mit ihrer inländischen Betriebsstätte Organträger sein können.[4] Die Wirkungen der Organschaft werden auch insoweit auf das Inland beschränkt. Grenzüberschreitende Wirkung hat die Organschaft nur insoweit, als die Organgesellschaft ausl. Einkünfte hat, die nicht der Freistellungsmethode unterliegen. Diese Einkünfte werden in die Wirkung der Organschaft einbezogen. Eine "echte" grenzüberschreitende Organschaft, etwa in dem Sinne, dass die Organgesellschaft eine ausl. Gesellschaft ohne Sitz und Geschäftsleitung im Inland sein könnte, sieht das Gesetz nicht vor.[5]

[1] Rz. 91.
[5] Frotscher, Der Konzern, 2003, 98; zu entsprechenden Regelungen ausl. Staaten Schmidt/Heinz, Stbg 2006, 60, 141; Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, 630; zu einem Vorschlag de lege ferenda Pache/Englert, IStR 2007, 47.

1.4.2 Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote der DBA?

1.4.2.1 Rechtslage bis Vz 2011

 

Rz. 39

Hatte die Muttergesellschaft weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland, war sie grundsätzlich als Organträger ausgeschlossen. Damit stellte sich die Frage, ob diese Rechtsfolge mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 24 Abs. 5 OECD-MA vereinbar war. Diese Vorschrift schützt allerdings nicht den Organträger, der Gesellschafter der Organgesellschaft ist, sondern die inl. Organgesellschaft. Ihre Besteuerung darf nicht allein wegen der Beteiligung von nicht im Inland ansässigen Gesellschaftern anders oder belastender sein als wenn inl. Gesellschafter beteiligt wären. Die inl. Tochtergesellschaft kann nicht Organgesellschaft des ausl. Gesellschafters sein. Damit wird bei ihr das Einkommen besteuert; gewerbesteuerlich kommt es zu Hinzurechnungen im Verhältnis zu dem Gesellschafter, z. B. von Finanzierungsaufwendungen. Diese Rechtswirkungen würden infolge einer dann möglichen Organschaft nicht eintreten, wenn der Gesellschafter im Inland ansässig wäre.[1] Hierin liegt im Verhältnis zu der inl. Tochtergesellschaft auf den ersten Blick ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 24 Abs. 5 OECD-MA.

 

Rz. 40

Der BFH hat zur GewSt für das Streitjahr 1999 entschieden, dass ein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 5 OECD-MA vorliegt.[2] Die inl. Tochtergesellschaft konnte allein deswegen nicht Organgesellschaft sein, weil der Gesellschafter als möglicher Organträger im Ausland Sitz und Geschäftsleitung hatte. Damit wurde bei ihr ein GewSt-Messbetrag der Besteuerung zugrunde gelegt, was bei einer Organgesellschaft nicht der Fall gewesen wäre. Außerdem wurden Darlehenszinsen, die an den Gesellschafter bzw. an andere konzernangehörige Gesellschaften gezahlt wurden, nach damaligem Recht als Dauerschuldzinsen dem Gewerbeertrag hinzugerechnet, was ebenfalls nicht erfolgt wäre, wenn die Tochtergesellschaft eine Organgesellschaft gewesen wäre.[3] Da Art. 24 Abs. 5 OECD-MA nur auf die Situation der Tochtergesellschaft abstellt, hat der BFH es als unbeachtlich angesehen, dass Rechtsfolge einer gewerbesteuerlichen Organschaft unter inl. Unternehmen nicht die endgültige Freistellung von der GewSt, sondern nur deren Verlagerung von der Organgesellschaft auf den Organträger gewesen wäre. Nach Art. 24 Abs. 5 OECD-MA sei nur entscheidend, dass die Tochtergesellschaft als Organgesellschaft nicht der GewSt unterlegen hätte, nicht jedoch, dass bei Betrachtung des Organkreises insgesamt eine vergleichbare Steuerbelastung entstanden wäre. Der BFH hat auch dem Umstand keine Bedeutung zugemessen, dass der Gewerbeertrag der Tochtergesellschaft infolge seiner Entscheidung endgültig der Gewerbebesteuerung entzogen wurde, da das ausl. Recht kaum die Möglichkeit vorsieht, solche Gewerbeerträge bei der Muttergesellschaft zu besteuern, ganz abgesehen davon, dass das ausl. Recht kaum eine der deutschen GewSt vergleichbare Steuer kennt.

 

Rz. 41

Trotz der Kritik der Literatur an der Rspr. zur grenzüberschreitenden Organschaft hat der BFH daran festgehalten und es im Fall einer deutschen Mutter- und einer belgischen Tochtergesellschaft als möglich angesehen, die Organschaftsregeln anzuwenden.[4] Im Urteilsfall hatte die deutsche Muttergesellschaft Verbindlichkeiten gegenüber der ausl. Tochtergesellschaft. Gestritten wurde über die Hinzurechnung der gezahlten Zinsen bei der GewSt. Der Stpfl. argumentierte, da die Hinzurechnung bei einer nationalen Organschaft zu unterbleiben habe, müsse das auch im grenzüberschreitenden Fall gelten;[5] andernfalls liege eine Diskriminierung, und damit ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV bzw. Art. 49 AEUV vor. Trotz der vom BFH weiterhin als möglich...

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