Rz. 4

Überraschend häufig genügen Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide nicht den sich aus §§ 119 und 157 AO ergebenden Bestimmtheitsanforderungen. Gem. § 119 Abs. 1 AO müssen schriftliche Steuerbescheide inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die festgesetzte Steuer ist nach Art und Betrag zu bezeichnen.[1]

Einem Bescheid muss im Hinblick auf die von § 157 Abs. 1 S. 2 AO geforderte Angabe der Art der Steuer eindeutig zu entnehmen sein, ob durch ihn Erbschaft- oder aber Schenkungsteuer festgesetzt wird. Wenn durch einen so bezeichneten "Erbschaftsteuerbescheid" tatsächlich Schenkungsteuer festgesetzt wird, dürfte der Bescheid rechtswidrig sein.[2] Auch wenn Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer aufgrund § 1 Abs. 2 ErbStG weitgehend gleichgestellt sind, gelten für sie doch teilweise je eigenständige Regelungen (z. B. hinsichtlich der Steuerentstehung, § 9 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ErbStG). Insoweit kann die erforderliche Festlegung der Art der Steuer nur durch die Bezeichnung im Steuerbescheid erfolgen.

Grundsätzlich möglich ist eine zusammenfassende Festsetzung von Erbschaft- und Schenkungsteuer in einem so bezeichneten "Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheid". Insoweit sind allerdings an die inhaltliche Bestimmtheit des Bescheids, insbesondere die Bezeichnung und Zuordnung der erfassten Lebenssachverhalte sowie die für die erfassten Erwerbe jeweils festgesetzte Steuer strenge Anforderungen zu stellen.

 

Rz. 5

Es ist grundsätzlich möglich, die Besteuerung mehrerer Erwerbe (Steuerfälle) in einem Bescheid zusammenzufassen. Ob und ggf. welche Erwerbe durch den Bescheid besteuert werden, ist ggf. durch Auslegung seines Regelungsinhalts zu ermitteln.[3] So schließt ein ausdrücklich so bezeichneter Erbschaftsteuerbescheid nach seinem objektiven Erklärungsinhalt eine zusammenfassende Steuerfestsetzung für Vorschenkungen aus.[4] Werden mehrere Lebenssachverhalte im Bescheid nicht konkret bezeichnet oder die auf die einzelnen Erwerbe entfallende Steuerschuld unaufgegliedert in einem Betrag zusammengefasst, ist der Bescheid – nach Maßgabe der folgenden Grundsätze – mangels Inhaltsbestimmtheit nichtig.[5]

 

Rz. 6

Dabei ist zum einen der besteuerte Lebenssachverhalt (Besteuerungstatbestände und -zeiträume) genau zu bezeichnen. Dies ist schon eine unabdingbare Voraussetzung, um die Grenzen der Bestandskraft des Steuerbescheids sicher bestimmen zu können. Ein Verstoß hiergegen führt zur Nichtigkeit (§ 125 Abs. 1 AO).[6] Die zur Bezeichnung des besteuerten Lebenssachverhalts notwendigen Angaben müssen zwar nicht zwingend im Steuerbescheid selbst enthalten sein, sondern können sich z. B. auch aus Anlagen, Prüfungsberichten oder in den Händen des Stpfl. Unterlagen ergeben; ein pauschaler Verweis auf nicht näher bezeichnete "Unterlagen" genügt jedoch nicht.[7]

 

Rz. 7

Zum anderen muss schon wegen § 157 Abs. 1 S. 2 AO für jeden Steuerfall eine gesonderte Steuerfestsetzung erfolgen.[8] Erforderlich ist die Angabe der einzelnen, durch die Verwirklichung eines bestimmten Steuertatbestands jeweils ausgelösten Steuerschuld.[9] Dabei ist zu beachten, dass jede freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) einen eigenständigen Steuertatbestand erfüllt.[10] Im Bereich des ErbStG ergibt sich die Notwendigkeit der Aufgliederung der verschiedenen Steuerschulden auch im Hinblick auf § 14 ErbStG, wonach eine taggenaue Ermittlung des 10-Jahreszeitraums für jede Einzelzuwendung erforderlich ist[11]; ferner kann das rechtliche Schicksal der verschiedenen Steueransprüche auch nach dem Anspruchsgrund bzw. dessen Wegfall, hinsichtlich etwaiger Befreiungstatbestände sowie des Verjährungseintritts einen unterschiedlichen Verlauf nehmen.[12] Mehrere Einzelzuwendungen sind nur in den – seltenen – Fällen ein Erwerb, in denen Gegenstand der Zuwendungen ein Stammrecht auf wiederkehrende Leistungen ist.[13]

 

Rz. 8

Ausnahmsweise entbehrlich ist die getrennte Festsetzung der auf die Einzelzuwendungen entfallenden Steuer, wenn der Stpfl. seine Mitwirkungspflichten insbesondere durch Nichtabgabe der Steuererklärung (§ 31 ErbStG) verletzt hat. In diesem Fall kann sich das FA auf eine einheitliche Steuerfestsetzung nach einem einheitlichen (Schätz-)Betrag unter Angabe des mutmaßlichen Zeitraums der mehreren nach Anzahl und Höhe unbekannten Zuwendungen beschränken.[14] Ein Schenkungsteuerbescheid ist dann nicht nichtig, wenn das FA für mehrere gesondert zu beurteilende Steuerfälle irrig von einer einheitlichen Zuwendung ausgeht; in diesem Fall ist der Steuerbescheid lediglich rechtswidrig.[15]

 

Rz. 9

Ein zusammenfassender Steuerbescheid unter Verzicht auf die Bezeichnung der erfassten Lebenssachverhalte ist ausnahmsweise zulässig, wenn trotz unaufgegliederter Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle eindeutig feststeht, welche Steuerfälle von dem Bescheid erfasst werden, und auch ansonsten keine Notwendigkeit zu einer Differenzierung besteht.[16]

 

Rz. 10

Ein gegen mehrere Steuerschuldner als Gesamtschuldner gerichteter zusammengefasster Erbschaftsteuerbescheid i. S. d. § 155 Abs. 3 AO is...

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