Rz. 78

Ist der überlebende Ehegatte weder als Erbe eingesetzt worden noch mit einem Vermächtnis bedacht, hat er neben seinem Pflichtteilsanspruch (sog. kleiner Pflichtteil) Anspruch auf den vollen Zugewinnausgleich. Ist ein solcher von den Erben an den überlebenden Ehegatten zu bezahlen, bleibt der Betrag beim Ehegatten gem. § 5 Abs. 2 ErbStG unbesteuert. Die Erben können die Zahlung ihrerseits nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abziehen.[1]

 

Rz. 79

Nicht ratsam ist es im Fall der Enterbung, anstelle des Zugewinns "nur" den Pflichtteil (Geldanspruch) geltend zu machen. Denn bei isolierter Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs wird die Steuerfreistellung des Erlangten nach § 5 Abs. 2 ErbStG nicht erreicht. Denn § 5 Abs. 2 ErbStG stellt nur den Zugewinn, nicht jedoch den Pflichtteilsanspruch steuerfrei.[2] Macht also der Ehegatte – aus welchen außersteuerlichen Gründen auch immer – nur den Pflichtteilsanspruch geltend, ist der Erwerb in Höhe des geltend gemachten Pflichtteils nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtig und die Befreiungsmöglichkeit nach § 5 Abs. 2 ErbStG geht verloren. Wenn der überlebende Ehegatte beabsichtigt, zugunsten seiner Kinder entweder nur den Pflichtteilsanspruch oder nur den Zugewinnausgleichsanspruch geltend zu machen, dann sollte er den Zugewinnausgleichsanspruch verlangen, weil dieser nach § 5 Abs. 2 ErbStG in voller Höhe steuerfrei bleibt.

 

Rz. 80

Soweit der überlebende Ehegatte gegen Abfindung auf beide Ansprüche verzichtet, also auf den Pflichtteil und Zugewinn, ist die Abfindung aufzuteilen und bleibt nur insoweit steuerfrei als sie auf den Zugewinn entfällt.[3]

[2] Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 5 Rz. 28; Geck, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 5 Rz. 13.
[3] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 5 Rz. 58; Tölle, NWB-EV 2022, 11, 14; s. Rz. 104.

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