Rz. 1

§ 32 Abs. 1 ErbStG schreibt – abweichend von § 122 Abs. 1 AO – die Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter "in den Fällen des § 31 Abs. 5" vor, d. h. soweit diese die Steuererklärung abgegeben haben. Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter sind insoweit Zugangsvertreter des Erben. § 32 Abs. 1 ErbStG ist dahin zu verstehen, dass der Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter Wirkung gegenüber dem Steuerschuldner zukommt.[1] Der Regelungsgehalt des § 32 Abs. 1 ErbStG ist aufgrund des Verweises auf § 31 Abs. 5 ErbStG dahin zu verstehen, dass der Testamentsvollstrecker bzw. Nachlassverwalter entweder die Steuererklärung selbst abgegeben hat oder zumindest zur Abgabe verpflichtet war.[2]

 

Rz. 2

§ 32 Abs. 1 S. 1 ErbStG ist wegen der bürgerlich-rechtlich beschränkten Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers[3] einschränkend auszulegen: Der Testamentsvollstrecker ist nur dann als Zugangsvertreter bestimmt, wenn er – nach entsprechender Aufforderung gem. § 31 Abs. 1 und 5 ErbStG – die Steuererklärung in Bezug auf diejenigen Personen abgegeben hat, die als Erben am Nachlass teilhaben. Erstreckt sich daher die Testamentsvollstreckung nicht auf den gesamten Nachlass, so kann eine Bekanntgabe gegenüber dem Testamentsvollstrecker nur im Hinblick auf solche Erben zulässig sein, deren Erbteile der Testamentsvollstreckung unterliegen.[4] Einem Testamentsvollstrecker kann daher der Erbschaftsteuerbescheid nicht mit Wirkung für und gegen Steuerschuldner bekannt gegeben werden, die – wie z. B. Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte, Erbersatzanspruchsberechtigte, Erwerber infolge Vertrags zugunsten des Erwerbers (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) – nicht als Erben am Nachlass teilhaben.[5] Etwas anderes gilt nur dann, wenn ausdrücklich auch für das Vermächtnis eine Dauervollstreckung[6] angeordnet und der Testamentsvollstrecker zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert wurde.[7] Eine Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Testamentsvollstrecker dürfte daher auch dann unzulässig sein, wenn die Erbschaftsteuerschuld eines Vermächtnisnehmers usw. nach der Anordnung des Erblassers aus dem Nachlass zu begleichen ist.[8]

 

Rz. 3

Der Testamentsvollstrecker hat jedenfalls nicht gem. § 32 Abs. 1 S. 2 ErbStG für die Bezahlung der Erbschaftsteuer zu sorgen, die das FA in einem gegen den Vermächtnisnehmer bekannt gegebenen Steuerbescheid bezüglich des Erwerbs durch Vermächtnis festgesetzt hat. § 32 Abs. 1 ErbStG lässt hingegen die Bekanntgabe an den Testamentsvollstrecker mit Wirkung für und gegen den (Mit-)Erben dann zu, wenn in dem Steuerbescheid neben dem Erwerb durch Erbanfall auch weitere Erwerbe i. S. d. § 3 Abs. 1 ErbStG erfasst werden.[9]

 

Rz. 4

Bei einer nach den vorstehenden Grundsätzen zulässigen Bekanntgabe an den Testamentsvollstrecker muss der Steuerbescheid eindeutig erkennen lassen, dass dieser dem Testamentsvollstrecker als Zugangsvertreter bekannt gegeben wird und Inhaltsadressat die Erben als Steuerschuldner sind. Die Formulierung des Bescheids muss mithin eindeutig ausschließen, dass der Testamentsvollstrecker selbst in Anspruch genommen werde, weil er gem. § 32 Abs. 1 S. 2 ErbStG für die Zahlung der Steuer zu sorgen habe.[10]

 

Rz. 5

Bei einer – unwirksamen – Bekanntgabe unmittelbar an die Erben wird der Bekanntgabemangel in dem Zeitpunkt geheilt, in dem der Testamentsvollstrecker den Bescheid nachweislich durch Weiterleitung erhalten hat.[11]

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