Rz. 94

Daneben ergibt sich aus § 170 Abs. 5 AO eine spezielle Anlaufhemmung für die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Für diese beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 oder 2 AO

  1. bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
  2. bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
  3. bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.
 

Rz. 95

Bei Erwerben von Todes wegen[1] entspricht der Begriff der Kenntnis dem Kenntnisbegriff des § 3 Abs. 1 ErbStG.[2]

 

Rz. 96

Bei Schenkungen unter Lebenden knüpft die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO an 2 Tatbestandsalternativen (Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt) an; maßgebend für den Beginn der Festsetzungsfrist ist die Alternative, die als erste eintritt.[3] "Kenntnis" von der vollzogenen Schenkung i. S. d. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO ist die positive Kenntnis der Finanzbehörde, die ihr die Prüfung des steuerpflichtigen Vorgangs ermöglicht. Maßgebend ist die Kenntnis des für die Schenkungsteuer zuständigen FA.[4] Nur die positive Kenntnis von der vollzogenen Schenkung kann zum Fristbeginn nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO führen.[5]

 

Rz. 96a

Bei gleichzeitiger Zuwendung mehrerer Gegenstände müssen diese in der Gesamtheit dem FA vollständig angezeigt werden. Bei Schenkungen führt die auf einen Teil der Geschenke beschränkten Angabe nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO.[6]

 

Rz. 97

Die Kenntnis von Umständen, die nur zur Prüfung Anlass geben, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt, genügt nicht. Ausreichend ist eine Kenntnis des Namens des Schenkers und des Bedachten sowie des Rechtsgrunds des Erwerbs[7]; bloßes "Kennenmüssen" reicht nicht aus.[8] Die eine Schenkung betr. Angabe in einer Einkommensteuererklärung begründet noch keine positive Kenntnis des FA.[9] Hinsichtlich einer mittelbaren Schenkung hat der BFH entschieden, dass die Finanzbehörde erst dann Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt, wenn sie alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen.

Die Feststellungslast für die positive Kenntnis trägt der Stpfl.[10]

Zur notwendigen Beweisvorsorge betr. Einreichung der Steuererklärung vgl. schon Rz. 90.

 

Rz. 97a

Im Hinblick auf das Verhältnis des § 170 Abs. 5 zu § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO ist zu beachten: § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO ist ein auf die Schenkungsteuer beschränkter selbstständiger Hemmungstatbestand. Bei einer Anzeigepflicht (§ 30 ErbStG) wird durch § 170 Abs. 5 Nr. 2 (2. Alternative) AO die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO außer Kraft gesetzt. Bei einer lediglich für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG wird der Anlauf der sonst nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden Festsetzungsfrist gehemmt.[11]

 

Rz. 98

Die Wirkung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO erschöpft sich in der Anordnung eines späteren Beginns der Festsetzungsfrist. Es tritt keine weitere Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO ein, wenn ein Erwerber vom FA nach erlangter Kenntnis gem. § 31 ErbStG zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert wird.[12]

 

Rz. 99

Bei Zweckzuwendungen (§ 8 ErbStG) ist für den Anlauf der Festsetzungsfrist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Zweckzuwendung erfüllt wird. Grund für diese Regelung ist, dass erst nach Erfüllung der Verpflichtung eine Steuerpflicht der Zuwendung festgestellt werden kann.

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