Rz. 523

§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfasst Versorgungsansprüche Hinterbliebener, soweit sie auf vertraglicher Grundlage beruhen. Als vertragliche Grundlage im Deckungsverhältnis kommen insbesondere Arbeits- oder Dienstverträge, Gesellschaftsverträge oder Versicherungsverträge des Erblassers in Betracht. Umgekehrt scheiden alle Versorgungsleistungen, die nicht auf einer vertraglichen Grundlage, sondern auf Gesetz beruhen, aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG aus.[1] Als Hinterbliebene sind der mit dem Erblasser bei dessen Tod verheiratete Ehegatte und die Kinder des Erblassers anzusehen, daneben auch der hinterbliebene Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.[2]

 

Rz. 524

Besondere Probleme wirft die Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG im Hinblick auf Versorgungsansprüche Hinterbliebener auf, die auf einem Arbeits- oder Dienstverhältnis des Erblassers beruhen. Hinterbliebenenbezüge, die auf einem Einzelvertrag beruhen, sind im Grundsatz nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerbar. Nichtsdestoweniger hat der BFH mit wechselnder Begründung entsprechende Versorgungsansprüche von der Steuerbarkeit ausgenommen. Die bis heute aktuelle Begründung lieferte der BFH im Urteil vom 20.5.1981.[3] § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sei aufgrund eines "(möglicherweise) zu weiten" Wortlauts der Vorschrift teleologisch restriktiv dahingehend auszulegen, dass ein auf einem Dienst- oder Arbeitsvertrag beruhender Erwerb von Hinterbliebenenbezügen nicht der ErbSt unterliege. Die FinVerw ist dieser Auffassung gefolgt.[4] Einbezogen werden auch überlebende Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.[5] Begründet wird die teleologische Reduktion mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz, weil vergleichbare Versorgungsbezüge auf gesetzlicher Grundlage nicht steuerbar seien. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Steuerbarkeit nicht nur bei wiederkehrenden Versorgungsbezügen entfällt, sondern auch bei Ansprüchen auf Einmalzahlungen, die durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind und beim Tod des Arbeitnehmers unmittelbar in der Person des Hinterbliebenen entstehen, z. B. Ansprüche auf Sterbegelder oder Kapitalabfindungen.[6] Steht fest, dass die Versorgungsbezüge auf einem Dienstverhältnis beruhen, ist es erbschaftsteuerrechtlich ohne Belang, ob sie vom Arbeitgeber aufgrund einer Pensionszusage, von einer Pensions- oder Unterstützungskasse, aufgrund einer Direktversicherung des Arbeitgebers oder aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage gezahlt werden.[7] Allerdings führt der BFH einschränkend aus, dass die entsprechenden Versorgungsbezüge nur bis zu einer bestimmten Angemessenheitsgrenze von der Besteuerung ausgenommen sind. Dabei hat der BFH 45 % des Bruttoarbeitslohns als angemessen angesehen[8], ohne jedoch eine absolute Grenze festzulegen. Die FinVerw geht davon aus, dass es sich bei dieser Grenze um eine Obergrenze handelt.[9] Demgegenüber wird zutreffend eingewendet, dass auch höhere Bezüge angemessen sein können, so lange sich deren Höhe etwa an den Verhältnissen in der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung orientiert.[10] Alternativ können die Versorgungsbezüge 60 % der Rentenbezüge des Verstorbenen ausmachen. Bei Einmalzahlungen wird für die Angemessenheitsprüfung vorgeschlagen, den 10. Teil der Kapitalsumme als Jahreswert der Versorgung anzusetzen.[11] Überschreiten die Hinterbliebenenbezüge die Angemessenheitsgrenze, unterliegen sie mit dem Kapitalwert des die Grenze übersteigenden Anteils der ErbSt.[12] Steuerbar sind demgegenüber nach Auffassung des BFH[13] Ansprüche aus Lebensversicherungen, die mit der Zielsetzung abgeschlossen worden sind, eine Befreiung von der gesetzlichen Pflichtversicherung zu erlangen. Die Frage war lange Zeit höchst umstritten.[14] Der Surrogationsgedanke allein rechtfertigt allerdings keine teleologische Reduktion des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, sodass im Ergebnis der Auffassung des BFH zuzustimmen ist.

 

Rz. 525

Bei Dienstverhältnissen mit Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH ist nach gegenwärtigem Stand zu differenzieren. Nicht steuerbar sind Hinterbliebenenbezüge dann, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer wie ein Nicht-Gesellschafter in einer arbeitnehmerähnlichen Stellung als abhängiger Geschäftsführer anzusehen sei und die Hinterbliebenenbezüge im Übrigen angemessen sind.[15] Erforderlich sei, dass es sich bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer um einen Mindergesellschafter handle und dass er im Innenverhältnis wie ein weisungsgebundener Arbeitnehmer tätig werde. Letztlich kann die Frage nur nach den Umständen des Einzelfalls geklärt werden.[16] Im Übrigen kann auch ein Minderheitsgesellschafter aufgrund seines Zusammenwirkens mit einem anderen Gesellschafter eine beherrschende Stellung haben, die der Annahme einer arbeitnehmerähnlichen Position entgegensteht.[17] Besonders problematisch ist die Auffassung der FinVerw[18] über die sog. faktische Beherrschung. Danach wird – anscheinend unabhängig von der Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft – ein F...

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