Rz. 312

Das BGB stellt an die Entschiedenheit des Erblassers bei der Anordnung eines Vermächtnisses geringere Anforderungen als bei der Bestimmung des Erben. Abweichend von § 2065 Abs. 2 BGB kann der Erblasser einem anderen, dem Beschwerten wie einem Dritten, die Bestimmung des Vermächtnisnehmers unter mehreren überlassen.[1] Voraussetzung ist allerdings, dass der Erblasser den Personenkreis der Vermächtnisnehmer allgemein bestimmt. Namentlich kommt dem sog. Unternehmensvermächtnis in der Praxis besondere Bedeutung zu, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Abfassung der letztwilligen Verfügung noch nicht überblicken kann, welchen seiner Abkömmlinge er die Unternehmensnachfolge anvertrauen soll. Hier eröffnet § 2151 Abs. 1 BGB abweichend vom Grundsatz der Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen[2] die Möglichkeit, ein Vermächtnis auch in der Weise auszusetzen, dass die Bestimmung des Vermächtnisnehmers den Beschwerten oder einem Dritten (z. B. Testamentsvollstrecker) überlassen wird. Im Unterschied zur restriktiven Praxis zu § 2065 Abs. 2 BGB[3] genügt bei § 2151 Abs. 1 BGB die Benennung eines überschaubaren Personenkreises, aus dem der Vermächtnisnehmer endgültig auszuwählen ist.

 

Rz. 313

Bei der sog. Anteilsbestimmung[4] kann der Erblasser mehrere mit einem Vermächtnis in der Weise bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, was jeder der Vermächtnisnehmer von dem vermachten Gegenstand erhalten soll.[5] Auch dies stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der höchstpersönlichen Bestimmung des § 2065 Abs. 2 BGB dar. Dabei können das Bestimmungsrecht des Beschwerten nach § 2151 Abs. 1 BGB und das Anteilsbestimmungsrecht nach § 2153 BGB miteinander verbunden werden, wenn z. B. der Testamentsvollstrecker unter Freunden des Erblassers etwas nach seinem Ermessen verteilen soll.[6] Bei den sog. Bestimmungsvermächtnissen[7] handelt es sich mithin um aufschiebend bedingte Vermächtnisse, die erst mit Eintritt der Bedingung erbschaftsteuerrechtlich entstehen.

 

Rz. 314

Der Ersatzvermächtnisnehmer erhält das Vermächtnis, wenn der zunächst eingesetzte Vermächtnisnehmer es nicht erwirbt. Aus welchen Gründen das Vermächtnis vom Erstbedachten nicht erworben wird, z. B. durch Tod vor dem Erbfall[8], Ausschlagung oder Vermächtnisunwürdigkeit[9] oder durch Tod vor Eintritt der aufschiebenden Bedingung[10], ist unerheblich. Erbschaftsteuerrechtlich tritt der Ersatzvermächtnisnehmer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in die Position des Erstbedachten.

 

Rz. 315

Ein sog. Nachvermächtnis[11] liegt vor, wenn der Erblasser bestimmt, dass der dem Vermächtnisnehmer zugewendete Gegenstand von einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis an dem Nachvermächtnisnehmer gebühren soll. Das Nachvermächtnis ist ein Untervermächtnis. Es liegt z. B. vor, wenn der Erblasser das Familienheim als einzelnen Vermögensgegenstand zunächst seinem Ehegatten und dann einem seiner Abkömmlinge zugewendet hat.[12] Nach § 6 Abs. 4 ErbStG stehen Nachvermächtnisse den Nacherbschaften erbschaftsteuerrechtlich gleich. Nach § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG gilt der Vermächtniserwerb als Erwerb vom Beschwerten und nicht als Erwerb vom Erblasser.

 

Rz. 316

Nach § 2150 BGB kann auch ein Erbe mit einem Vermächtnis bedacht werden. Es handelt sich hierbei um das sog. Vorausvermächtnis. Hier bereitet namentlich bei der Auslegung der Verfügung von Todes wegen die Abgrenzung von einer Teilungsanordnung erhebliche Schwierigkeiten.[13] Auch beim Vorausvermächtnis entsteht die Erbschaftsteuer nach h. M.[14] mit dessen Anfall[15] und nicht mit dessen Annahme (zur Kritik Rz. 305).

Als Alternative zum Vorausvermächtnis kommt eine erbrechtliche Auflage in Betracht. Die FinVerw möchte Vorausvermächtnis und Auflage nach R E 3.1 Abs. 4 ErbStR 2019 gleich behandeln, also bei den Beschwerten abziehen und dem Begünstigten anscheinend unmittelbar zurechnen. Das erscheint zweifelhaft. Dem Abzug bei dem durch die Auflage Begünstigten steht nämlich § 10 Abs. 9 ErbStG entgegen, weswegen entsprechend seiner Quote auch kein eigenständiger Erwerbstatbestand nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG in Betracht kommt.[16] Andererseits besteht ein Unterschied zum Vorausvermächtnis insofern, als die überquotale, dann über § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG zu erfassende Bereicherung des Auflagenbegünstigten erst mit Vollzug der Auflage eintritt. Darin besteht gerade der dogmatische Unterschied zwischen dem Vermächtnis, das dem Vermächtnisnehmer einen Anspruch einräumt, und der Auflage. Bei der Auflage gibt es keinen Forderungsberechtigten, aber nach § 2194 BGB Vollziehungsberechtigte.

 
Praxis-Beispiel

A, B und C sind Miterben zu gleichen Anteilen. Der Erblasser ordnet verbindlich als "Auflage" an, dass dem C ein Oldtimer im Wert von 120.000 EUR ohne Wertausgleich an A und B übereignet werden soll. Ein Forderungsrecht schließt der Erblasser ausdrücklich aus.

Die Auflage ist bei der Bereicherung des A und B zu je 40.000 EUR abziehbar. C hat kein Forderungsrecht und ist deswegen mangels "Anfalls" noch nicht bereichert. Erst wenn die Aufl...

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