Rz. 122

Die Erbengemeinschaft ist eine auf Liquidation angelegte Gesamthandsgemeinschaft. Die Verteilung des Nachlasses erfolgt durch die Erbauseinandersetzung. Nach § 2042 BGB kann jeder Miterbe zu jeder Zeit und ohne wichtigen Grund verlangen, dass eine entsprechende Auseinandersetzung erfolgt. Der Anspruch des einzelnen Miterben richtet sich dabei auf Auseinandersetzung der gesamten Erbengemeinschaft, d. h. ein auf seine Person beschränkte Teilauseinandersetzung kann ein Miterbe nicht verlangen. Auch wenn der Miterbe die Teilauseinandersetzung nicht verlangen kann, lässt sie sich entweder dadurch bewerkstelligen, dass der ausscheidende Miterbe seinen Miterbenanteil auf die anderen Miterben überträgt oder er aufgrund einer formfreien Vereinbarung – und im Regelfall gegen Abfindung – aus der Erbengemeinschaft austritt, wobei seine bisherige Beteiligung an dem Nachlass den anderen Miterben im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile kraft Gesetzes anwächst.[1] Der Erblasser hat die Möglichkeit, durch Verfügung von Todes wegen die Auseinandersetzung für max. 30 Jahre auszuschließen.[2]

 

Rz. 123

Nach dem gesetzlichen Leitbild erfolgt die Erbauseinandersetzung dergestalt, dass die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen sind[3] und der Nachlass, soweit erforderlich, in Geld umzusetzen ist.[4] Danach ist der Überschuss nach dem Verhältnis der Erbquoten unter den Miterben aufzuteilen.[5] Die Art und Weise der Auseinandersetzung legt das Gesetz in den §§ 752 ff. BGB fest. Wenn keine Teilungsanordnungen (Rz. 128 ff.) vom Erblasser angeordnet wurden, können die Miterben den Nachlass nach ihrem Gutdünken aufteilen. Wie die Auseinandersetzung im Einzelnen durchgeführt werden soll, bestimmen die Miterben in einem Auseinandersetzungsvertrag.

 

Rz. 124

Die Verteilung der Nachlassposten bei der Erbauseinandersetzung unter den Miterben ist erbschaftsteuerrechtlich regelmäßig belanglos.[6] Es ist also unerheblich, wie die Nachlassgegenstände im Einzelnen verteilt und mögliche Wertdifferenzen, die sich daraus ergeben können, durch Ausgleichszahlungen berichtigt werden.

 

Rz. 125

Demgegenüber können Ausgleichszahlungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung unter den Miterben einkommensteuerrechtlich beachtlich sein, d. h. bei dem Empfänger steuerpflichtig sein und beim Zahlenden zu Anschaffungskosten führen.[7] Auszugehen ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung vom Trennungsgedanken bezüglich Erbfall und Erbauseinandersetzung.[8] Nach der sog. Trennungstheorie sind Erbfall und nachfolgende Erbauseinandersetzung steuerrechtlich 2 getrennt zu beurteilende Vorgänge. Ist die Erbauseinandersetzung einkommensteuerrechtlich nicht mehr Bestandteil des Erbfalls, dann sind die mit ihr verbundenen Sachverhalte anhand der allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Tatbestände zu bewerten. Eine Realteilung des Nachlasses ist nur insoweit erfolgsneutral möglich, als keine Ausgleichszahlungen erfolgen.[9]

 

Rz. 126

Der Auseinandersetzungsvertrag wird häufig Vergleichscharakter[10] besitzen. Auch wenn nach objektiven Werten einer der Beteiligten besser abschneidet als die anderen, wird man zivilrechtlich regelmäßig mangels Einigung über die Unentgeltlichkeit keine Übertragung des Mehr durch Schenkung annehmen können.[11] Allerdings muss beachtet werden, dass eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegen kann, wenn dem einzelnen Miterben bewusst Nachlassvermögen zugewendet wird, das über dessen Erbquote hinausgeht und auf entsprechende Ausgleichszahlungen verzichtet wird.[12]

 

Rz. 127

Bislang vom BFH nicht entschieden[13] ist, ob die Ausgleichspflichten nach §§ 2050 ff. BGB erbschaftsteuerrechtlich zu berücksichtigen sind. Die h. M. und die Rspr. bejahen dies.[14] Die FinVerw schließt sich dem an und geht in R E 3.1 Abs. 5 S. 5 ErbStR 2019 davon aus, dass erbschaftsteuerrechtlich der Nachlass mit seinem steuerlichen Wert den Miterben nach diesen Teilungsanteilen, also nicht nach den Erbquoten, zuzurechnen sei. Abkömmlinge des Erblassers, die als gesetzliche Erben berufen sind und schon zu Lebzeiten des Erblassers besondere Zuwendungen aus seinem Vermögen erhalten haben, müssen in bestimmten Fällen diese Zuwendungen bei der Auseinandersetzung ausgleichen. Dies gilt z. B. für Ausstattungen[15] oder wenn der Erblasser dies bei der Zuwendung[16] angeordnet hat.[17] In den §§ 2055 f. BGB ist geregelt, wie die Ausgleichung durchzuführen ist. Danach sind sämtliche auszugleichende Zuwendungen dem Nachlass hinzuzurechnen, andererseits aber vom Anteil des jeweils Ausgleichsverpflichteten abzuziehen. Für die Bewertung des Nachlasses ist der Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich.[18]

 
Praxis-Beispiel

Gesetzliche Erben sind die Abkömmlinge A, B und C zu je ⅓. Der Nachlasswert beträgt 3 Mio. EUR. Daraus folgt ein quotaler Erbteil der 3 Miterben von je 1 Mio. EUR. Abkömmling A hat eine ausgleichspflichtige Zuwendung i. H. v. 300.000 EUR vom Erblasser erhalten.

Zur Durchführung der Ausgleichung wird zunächst die Zuwendung dem Nachlasswert hinzugerechnet (3 Mio....

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