Rz. 80

§ 29 Abs. 1 ErbStG ordnet das Erlöschen der Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit an. Die Vorschrift ergänzt die in § 47 AO beispielhaft aufgezählten Erlöschensgründe, enthält jedoch selbst keine Aussage über die verfahrensrechtlichen Rechtsfolgen. Insoweit ist § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO anzuwenden: Die entsprechende Steuerfestsetzung ist wegen des durch § 29 Abs. 1 ErbStG angeordneten Erlöschens der Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben oder im Umfang der Erlöschenswirkung zu ändern.[1] Hat die Testamentsvollstreckerin nach dem Tod des Erblassers eine Schenkung nach liechtensteiner Recht rechtsirrig als schenkungssteuerbar beurteilt und gem. § 3 Abs. 1 S. 1 StraBEG Schenkungssteuer nachentrichtet, steht der Vertragserbin ein Anspruch auf Rückzahlung der nach § 29 Abs. 1 ErbStG entrichteten Steuer gem. § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG zu.[2]

Ist die rückgängig gemachte Schenkung als Vorerwerb i. S. d. § 14 ErbStG in einer Steuerfestsetzung für einen nachfolgenden Erwerb berücksichtigt worden, ist nach Aufhebung bzw. Änderung des Schenkungsteuerbescheids für den Vorerwerb auch der nachfolgende Schenkungsteuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ErbStG zu ändern oder aufzuheben.[3]

 

Rz. 81

Ein Antrag auf Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung ist ratsam, nicht aber gesetzlich geboten. Antrags- und erstattungsberechtigt ist der jeweilige Steuerschuldner, in den Fällen des § 10 Abs. 2 ErbStG also der Schenker. Für die Aufhebung oder Änderung beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.[4] Der sich aus § 29 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ergebende Erstattungs- und Vergütungsanspruch kann daher nach Ablauf der Festsetzungsfrist von 4 Jahren[5] nicht mehr geltend gemacht werden.[6]

 

Rz. 82

Lehnt das FA die Änderung ab, so ist hiergegen der Einspruch[7] und ggf. die Verpflichtungsklage gegeben.

 

Rz. 83

Behauptet der Beschenkte eine Verpflichtung zur Rückgewähr einer Zuwendung, so hat er – soweit vom FA bestritten – die dieser Verpflichtung zugrunde liegenden Tatsachen zu beweisen. Den Erwerber trifft insoweit die Feststellungslast.[8] Eine Verzinsung des sich aus der Verwendung des § 29 Abs. 1 ErbStG ergebenden Erstattungsanspruchs im Rahmen der sog. Vollverzinsung (§ 233a AO) erfolgt nicht, weil § 233a AO nicht für die Erbschaftsteuer gilt.

 

Rz. 84

Umstritten ist, ob eine Verzinsung hinterzogener Steuern (§ 235 AO) auch dann erfolgen kann, wenn das FA nachträglich die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 ErbStG anerkennt. Das FG Hessen[9] hat die Voraussetzungen des § 235 AO bejaht. Es hat sich insbesondere darauf berufen, dass ein Schenkungsteuerbescheid keine Bindungswirkung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO entfaltet. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen richtet sich nicht akzessorisch nach dem festgesetzten, sondern nach dem tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrag.[10]

Der Annahme des § 235 AO dürfte jedoch entgegen stehen, dass in diesem Fall wegen § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG keine Steuerhinterziehung vorlag.

 

Rz. 85–99

einstweilen frei

[3] OFD Frankfurt v. 9.11.2009, S 3840 A-7-St 119, juris.
[6] Jochum, in Wilms/Jochum, ErbStG, § 29 Rz. 67; Jülicher, in T/G/J, ErbStG, § 29 Rz. 76; a. A. Kapp/Ebeling, § 29 ErbStG, Rz. 68.
[8] BFH v. 5.4.1989, II R 51/86, BFH/NV 1990, 234; Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 29 Rz. 3.
[10] BFH v. 28.3. 2012, II R 39/10, BStBl II 2012, 712; a. A. z. B. Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 29 Rz. 76; Kamps, Stbg 2018, 263; Blusz, ZEV 2016, 626.

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