Rz. 50

§ 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ordnet das Erlöschen festgesetzter Schenkungsteuer für frühere Zuwendungen unter Ehegatten für den Fall an, dass diese Zuwendung später auf einen Zugewinnausgleichsanspruch anzurechnen ist. Die Vorschrift steht in Zusammenhang mit § 5 ErbStG und wurde durch das ErbStRG um Satz 2 erweitert. Die Wirkung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erstreckt sich daher sowohl auf die Ausgleichsforderung bei Auflösung der Zugewinngemeinschaft bei Ehescheidung oder Beendigung des Güterstands[1] als auch auf die Fälle des fiktiven Zugewinnausgleichs nach § 5 Abs. 1 ErbStG.

 

Rz. 51

Nach § 1380 BGB können unentgeltliche Zuwendungen zwischen Ehegatten mit Zugewinngemeinschaft mit der Bestimmung versehen werden, dass sie auf die Ausgleichsforderung anzurechnen sind. Bei Ausführung dieser Zuwendungen ist Schenkungsteuer festzusetzen; denn zu diesem Zeitpunkt steht noch nicht fest, ob dem beschenkten Ehegatten bei Beendigung des Güterstands ein Ausgleichsanspruch zustehen wird. Die Steuer erlischt daher gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit in den Fällen des § 5 Abs. 2 ErbStG unentgeltliche Zuwendungen auf die steuerfreie Ausgleichsforderung angerechnet worden sind.

 

Rz. 52

Ob bei einer unentgeltlichen Zuwendung die Bestimmung einer Anrechnung gem. § 1380 Abs. 1 BGB steuerlich günstig ist, bedarf jeweils besonderer Prüfung für den Einzelfall. Es ist zu berücksichtigen, dass sich bei Anrechnung der Schenkung wegen § 1380 Abs. 2 BGB ein höherer Gesamtzugewinnausgleichsanspruch ergibt. Die Bestimmung der Anrechnung ist ferner im Zusammenhang mit § 14 ErbStG zu sehen: Erfolgt die unentgeltliche Zuwendung ohne Bestimmung der Anrechnung auf die Ausgleichsforderung und verstreicht der 10-Jahreszeitraum (§ 14 ErbStG), so führt dies im Ergebnis zur Verdoppelung der Freibeträge und zur Anwendung des günstigeren Tarifs. Allgemein kann daher gesagt werden, dass bei wertmäßig hohen Schenkungen und einem geringen Zeitraum zwischen Schenkung und Erbfall die Anrechnung meist günstiger ist.[2] Ein Ausschluss der Anrechnung ist in jedem Fall zivilrechtlich mit dem Risiko verbunden, dass der beschenkte Ehegatte beim Zugewinnausgleich einen – verglichen mit der Bestimmung der Anrechnung – höheren Betrag erhält.

 

Rz. 53

§ 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG ordnet nunmehr ein rückwirkendes Erlöschen festgesetzter Schenkungsteuer für unentgeltliche Zuwendungen eines Ehegatten auch für den Fall an, dass für den überlebenden Ehegatten die fiktive steuerfreie Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 1 zu ermitteln ist. Diese Behandlung wurde schon vor Inkrafttreten des § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG einhellig befürwortetet.[3]

 

Rz. 54

Wegen der bei der Berechnung der Ausgleichsforderung zu berücksichtigenden unentgeltliche Zuwendungen entfällt rückwirkend die darauf entstandene Schenkungssteuer (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG). Das Ergebnis ist klar, soweit ein höherer Zugewinn des Beschenkten (lebzeitige Zuwendungen an die Ehefrau oder den Ehemann) vorliegt.[4]

 

Rz. 55

Die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG dürfte nach zutreffender Auffassung des FG Köln[5] aber auch dann gelten, wenn ein höherer Zugewinn des Beschenkten vorliegt und deshalb ein (vollständiger) Wegfall des Zugewinnausgleichsanspruchs gegenüber dem verstorbenen Ehegatten eintritt. Der überlebende Ehepartner kann zwar keinen Ausgleich eines tatsächlichen Zugewinns beanspruchen. Die Prüfung nach § 1380 Abs. 2 BGB sei jedoch der nach § 1380 Abs. 1 BGB vorgelagert, sodass auch in diesem Fall § 29 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG i. V. m. § 5 Abs. 1 ErbStG in Höhe der tatsächlich gezahlten Schenkungsteuer anwendbar ist.[6]

 

Rz. 56

Die dargestellten Grundsätze müssen auch bei einem güterrechtlichen Ausgleich gem. § 5 Abs. 2 ErbStG (Zugewinnausgleich anlässlich des Todes des Ehegatten, Scheidung, Aufhebung der Ehe und im Rahmen der Güterstandsschaukel) gelten. Hier kann die Schenkungsteuer auf den überschüssigen Teil der Schenkung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ErbStG oder nach § 10 Abs. 5 ErbStG beseitigt werden.[7]

 

Rz. 57

Hinzuweisen ist noch darauf, dass über die Anrechnung auf die (ggf. fiktive) Zugewinnausgleichsforderung gem. § 1380 Abs. 1 S. 1 BGB ggf. gesondert zu entscheiden ist. Eine Nichtanrechnung kann sich u. U. günstig auf die Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs (Erbschaft- oder Schenkungsteuer) auswirken.[8]

 

Rz. 58-59

einstweilen frei

[2] Eckert, DStR 1989, 347; Blusz, ZEV 2016, 626.
[4] Mack/Stenert, DStR 2017, 2645; Lindenau, ZEV 2018, 636; Kamps/Stenert, DStR 2018, 2465.
[6] Mack/Stenert, DStR 2017, 2645; Lindenau, ZEV 2018, 636; Kamps/Stenert, DStR 2018, 2465; Meßbacher-Hönsch, ErbStG, eKomm. § 5 Rz. 140; Thonemann-Micker, ZEV 2018, 610: Billig, UVR 2019, 240.
[7] Kamps/Stenert, DStR 2018, 2465/2467 f.; Schneider/Weinberger, UVR 2020, 15.
[8] Näher Kamps/Stenert, DStR 2018, 2465/2469 f.

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