Rz. 10

Die Herausgabe muss nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufgrund eines Rückforderungsrechts erfolgt sein. Ein solches kann sich aus gesetzlichen Regelungen des BGB (insb. des Schenkungs- und Erbrechts) und ebenso aus dem Vertrag ergeben. In gleicher Weise ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei gesetzlichen Herausgabeansprüchen[1] anwendbar.

 

Rz. 11

Ein Rückforderungsrecht besteht zunächst im Fall der Nichtigkeit der Schenkung[2], z. B. aufgrund Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung.[3] Der Beschenkte ist in diesem Fall nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung[4] zur Herausgabe des Geschenks verpflichtet. Zu beachten sind hierbei die sich aus § 41 AO ergebenden Rechtsfolgen.[5] Zur Rückgängigmachung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vgl. Rz. 20 ff.

 

Rz. 12

Ein Recht zur Rückforderung von Schenkungen ergibt sich ferner aus den speziellen schenkungsrechtlichen Regelungen in §§ 527, 528, 530 BGB:

  • Nach § 527 BGB besteht ein Rückforderungsrecht des Schenkers bei einer Schenkung mit einer Auflage, sofern die Vollziehung der Auflage ganz oder teilweise unterblieben ist. Die Herausgabepflicht des Beschenkten beschränkt sich auf dasjenige, was zur Vollziehung der Auflage zu verwenden war.
  • Nach § 528 BGB besteht ein nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu berücksichtigendes Rückforderungsrecht für den Notbedarfsfall des Schenkers.[6] Der Anspruch ist gegeben, wenn der Schenker nach Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen eigenen angemessenen Unterhalt oder bestimmte gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen. Seinem Umfang nach beschränkt sich das Rückforderungsrecht auf die Deckung des durch § 528 Abs. 1 S. 1 BGB geschützten Bedarfs. Ist ein unteilbarer Gegenstand zugewendet und nur ein teilweises Rückforderungsrecht begründet, so hat der Beschenkte Wertersatz zu leisten. Das Rückforderungsrecht des Schenkers kann nach einer Überleitung gem. § 93 SGB XII auch einem Sozialhilfeträger zustehen.[7] In diesem Fall erlischt der Anspruch nicht mit dem Tode des Schenkers. Auch ein Erlöschen durch Konfusion scheidet hier aus, sofern der Beschenkte zugleich Erbe des Schenkers wird (§ 10 ErbStG Rz. 85). Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrags abwenden.[8] Geschieht dies, so erlischt die Steuer gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.

    • Der Beschenkte kann dem Rückforderungsanspruch die Einrede aus § 529 BGB entgegenhalten. Macht der Beschenkte diese Einrede nicht geltend, soll § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wegen des hier vorausgesetzten "Herausgebenmüssens" unanwendbar sein.[9] Das erscheint nicht in vollem Umfang sachgerecht, weil der Beschenkte die Voraussetzungen des § 529 BGB nachzuweisen hat und weil in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung bei etwaigen Beschränkungen des Rückforderungsrechts aus § 528 BGB häufig Billigkeitserwägungen angestellt werden.
    • Bei ehebedingten (unbenannten) Zuwendungen scheidet nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte eine Anwendung des § 530 BGB aus, weil insoweit keine Schenkungen vorliegen.[10] Hier können sich allerdings unter besonderen Voraussetzungen Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben.[11]
  • Nach §§ 530, 531 BGB besteht ein Rückforderungsrecht bei grobem Undank des Beschenkten. Hierzu bedarf es der ausdrücklichen Erklärung des Schenkungswiderrufs.[12] Zum vertraglich vereinbarten Widerruf vgl. Rz. 14 ff.
 

Rz. 13

Ein Rückforderungsrecht kann sich auch aus Erwerben nach § 7 Abs. 57 ErbStG ergeben.[13] Ein Rückforderungsrecht kann sich weiterhin aus dem Schenkungsrecht zugeordneten Sondervorschriften ergeben:

  • § 1301 BGB erleichtert gegenüber § 530 BGB die Rückforderung von Verlobungsgeschenken bei Unterbleiben der Eheschließung.
  • Nach § 1478 BGB haben die Ehegatten nach der Scheidung den Wert dessen zurückzuerstatten, was sie in die Gütergemeinschaft eingebracht haben. Insoweit erlischt rückwirkend eine bei Begründung der Gütergemeinschaft gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG festgesetzte Schenkungsteuer.
  • Aus § 2113 BGB ergibt sich ein Rückforderungsrecht des Nacherben bei ihn beeinträchtigenden Schenkungen des Vorerben.[14]
  • § 2278 BGB gewährt dem Vertragserben einen Herausgabeanspruch gegenüber Beschenkten, denen der Erblasser in der Absicht der Benachteiligung des Vertragserben Vermögensgegenstände zugewendet hat.
  • Nach § 2329 Abs. 1 BGB hat der pflichtteilsberechtigte Erbe zur Pflichtteilsergänzung einen Herausgabeanspruch gegenüber Beschenkten; die Erfüllung dieses Anspruchs unterfällt § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.[15] Sofern der Beschenkte den Zugriff in den ihm zugewendeten Vermögensgegenstand durch Zahlung des fehlenden Betrags abwehrt[16], sind die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG hingegen nicht erfüllt[17]; die Zahlung kann jedoch gem. § 1 Abs. 2 i. V. m. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG bereicherungsmindernd zu berücksichtigen sein.[18]
  • Im Insolvenzrecht sind die vom Gemeinschuldner im letzten Jahr vor Insolvenzeröffnung vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen anfechtbar.[19] Der Anwendung des § 29 Abs. 1 ...

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