Rz. 16

Die Regelung der Verschonungsbedarfsprüfung beruht weitgehend auf dem ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom September 2015.

 

Rz. 17

In dem damaligen Entwurf wurde die geplante Neuregelung wie folgt begründet (BT-Drs. 18/5923, S. 32 ff.):

Zitat

Die Vorschrift regelt die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 – erforderliche Bedürfnisprüfung in Erwerbsfällen ab einer bestimmten Größenordnung. Das Bundesverfassungsgericht hat die weitgehende oder vollständige Verschonung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen und land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sowie von Anteilen an Kapitalgesellschaften als unverhältnismäßig angesehen, soweit sie ohne Bedürfnisprüfung über den Bereich kleiner und mittlerer Betriebe hinausgreift (BVerfG, aaO, Rz. 170 ff.). (…). Die Prüfung, ob ein Verschonungsbedarf besteht, kann im Ergebnis dazu führen, dass ein Erwerber ohne verfügbares Vermögen durch den vorgesehenen Erlass der Steuer im Ergebnis eine Vollverschonung für das begünstigte Vermögen erhält.

Die Prüfschwelle für die Verschonungsbedarfsprüfung stellt nicht auf die Größe des Betriebs ab, der ganz oder teilweise auf den Erwerber übergeht. Sie ist bezogen auf den Wert des zum Erwerb gehörenden begünstigten Vermögens, wie es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, aaO, Rz. 175 Satz 2) unter Bezugnahme auf den früheren Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unternehmensnachfolge der Bundesregierung (BT-Drucksache 15/5555) grundsätzlich als zulässig erachtet hat. Der auf den Erwerber bezogene Ansatz fügt sich in die Grundkonzeption des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ein, die eine erwerberbezogene Besteuerung des Vermögensanfalls zu Grunde legt. Dieses trägt dem Bereicherungsprinzip und dem bewirkten Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit beim Erwerber Rechnung. Der Erwerber (z. B. Erbe, Vermächtnisnehmer, Beschenkte) ist Schuldner der für seinen steuerpflichtigen Erwerb zu entrichtenden Steuer und nicht das Unternehmen, das ganz oder teilweise auf ihn übergegangen ist. Wird die Prüfschwelle (…) von 26 Millionen Euro begünstigtes Vermögen (…) überschritten, wird die Steuer auch für das begünstigte Vermögen in vollem Umfang festgesetzt. Auf Antrag des Erwerbers wird eine Verschonungsbedarfsprüfung durchgeführt. Dem Erwerber ist im Rahmen dieser Prüfung zuzumuten, in gewissem Umfang sein verfügbares Vermögen (…) zur Steuerzahlung einzusetzen. Soweit das verfügbare Vermögen nicht oder nicht vollständig ausreicht, um die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer zu tilgen, erhält der Erwerber einen nach Absatz 4 auflösend bedingten Rechtsanspruch auf Erlass dieser Steuer. Ergibt die Prüfung hingegen, dass ausreichend verfügbares Vermögen vorhanden ist und es somit einer Verschonung nicht bedarf, ist die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer zu entrichten.

Die Ungleichbehandlung zwischen Erwerbern begünstigten und nicht begünstigten Vermögens ist in diesen Fällen nicht mehr zu rechtfertigen (Vergleichsgruppe). Bei fehlendem Verschonungsbedarf entfällt die Rechtfertigung für eine Verschonung ab dem ersten Euro. Dagegen ist die Ungleichbehandlung gegenüber Erwerbern von begünstigtem Vermögen bis zu 26 Millionen Euro (…) durch die unwiderlegliche Gefährdungsvermutung für die in den Betrieben angelegte Beschäftigung begründet.

Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von "vermögenden" und "nicht vermögenden" Erwerbern liegt nicht vor. Denn bei einem vermögenden Erwerber ist die Fortführung des Betriebs anders als bei einem nicht vermögenden Erwerber durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht in gleichem Maße gefährdet.

 

Rz. 18

Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme zu der Verschonungsbedarfsprüfung in keiner Weise geäußert.[1]

 

Rz. 19

In der vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetzesfassung kam es lediglich zu einigen kleineren (redaktionellen) Änderungen.[2]

 

Rz. 20

Im Vermittlungsausschuss gab es insoweit keine Änderungen.[3] Der Deutsche Bundestag hat die Verschonungsbedarfsprüfung schließlich im September 2016 beschlossen. Die Zustimmung des Bundesrats ist im Oktober 2016 erfolgt.[4]

 

Rz. 21

Angesichts der zahlreichen Kontroversen um das neue ErbStG ist es mehr als bemerkenswert, dass die völlig neue geschaffene Verschonungsbedarfsprüfung das über ein Jahr dauernde Gesetzgebungsverfahren beinahe unverändert "überstanden" hat. Dies überrascht vor allem auch deshalb, weil die neue Verschonungsbedarfsprüfung sowohl rechtspolitisch als auch verfassungsrechtlich nicht unumstritten ist.

 

Rz. 22

Im Rahmen des "Jahressteuergesetz 2018"[5] wurden u. a. die Möglichkeiten eines nachträglichen Widerrufs des Steuererlasses durch die FinVerw erweitert (§ 28a Abs. 4 S. 1 Nrn. 46 und Abs. 6 ErbStG).[6] Die Neuregelung findet auf Erwerbe Anwendung, für die ein Erlass erstmals nach dem 14.12.2018 ausgesprochen wurde (§ 37 Abs. 16 S. 2 ErbStG).

 

Rz. 23

Ein Antrag des Freistaats Bayern im Bundesrat[7] zur Anpassung der Erbschaft- und Schenkungst...

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