Rz. 20

§ 23 ErbStG ist nur auf Steuern anwendbar, die von dem Kapitalwert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen zu entrichten sind. Renten sind nach der an das bürgerliche Recht anknüpfenden Definition fortlaufend wiederkehrende, gleichmäßige bzw. bei rentenähnlichen wiederkehrenden Leistungen in veränderlicher Höhe anfallende, zahlen- oder wertmäßige festgelegte Leistungen in Geld oder Geldeswert aufgrund eines Stammrechts, auf die der Empfänger für eine gewisse Zeitdauer einen Anspruch hat. Nutzungen sind gem. § 100 BGB Früchte oder Gebrauchsvorteile einer Sache oder eines Rechts. Zu den wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen gehören Renten- und Nutzungsrechte aller Art. Hauptsächliche Anwendungsfälle des § 23 ErbStG sind der Nießbrauch[1] und das Rentenvermächtnis. Die Berechnung des Kapitalwerts der Renten usw. erfolgt nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. §§ 1316 BewG.

 

Rz. 21

Auf den Erwerb einer unverzinslichen, über einen längeren Zeitraum in Raten zu tilgenden Kapitalforderung ist § 23 ErbStG seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Die Rspr. hat gleichwohl die entsprechende Anwendung des § 23 ErbStG im Fall der Restlaufzeit einer Kapitalforderung von 7 Jahren bejaht und sich zur Begründung auf den Gesetzeszweck des § 23 ErbStG sowie auf die Einkommensbesteuerung der Tilgungsflüsse berufen.[2] Diese Rechtsauffassung erscheint angesichts des auf den "Kapitalwert" abstellenden Wortlauts des § 23 ErbStG nicht zutreffend.[3] Im Einzelfall kann eine Stundung gem. § 222 AO in Betracht kommen, die aber wegen des fehlenden Rechtsanspruchs und der hohen Verzinsung keine gleichwertige Alternative darstellt.[4]

 

Rz. 22

§ 23 ErbStG ist nicht auf Erbbauzinsen anwendbar. Der Anspruch des Eigentümers eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks auf den Erbbauzins stellt zwar ein Recht auf wiederkehrende Leistungen dar. Seit der Neuregelung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts durch das JStG 1997 war gem. § 148 Abs. 1 S. 3 BewG a. F. das Recht auf den Erbbauzins aber nicht mehr neben dem erbbaurechtsbelasteten Grundstück selbstständiger Erwerbsgegenstand.[5] Bei der Ermittlung des Verkehrswerts der wirtschaftlichen Einheiten des Erbbaurechts und des Erbbaugrundstücks geht der Erbbauzins in die Bewertung mit ein.[6] Das Besteuerungswahlrecht des § 23 ErbStG folgt auch nicht daraus, dass gem. § 194 Abs. 3 S. 1 BewG der Erbbauzins zu kapitalisieren ist und in die Bewertung des Erbbaugrundstücks einfließt. § 23 ErbStG setzt nämlich einen mit dem Kapitalwert zu bewertenden Erwerbsgegenstand voraus. Alleiniger Erwerbsgegenstand ist aber in diesen Fällen das erbbaurechtsbelastete Grundstück.

 

Rz. 23

Bei Erwerben vor dem 1.1.1996 war der Erbbauzinsanspruch dagegen gem. § 12 Abs. 2 ErbStG a. F. i. V. m. § 92 Abs. 5 BewG nicht als Bestandteil des Grundstücks anzusehen und damit als zusätzlicher Erwerbsgegenstand zu berücksichtigen.

 

Rz. 24

Der Verzicht auf einen Vorbehaltsnießbrauch eröffnet nicht das Wahlrecht, selbst wenn man hierin die Zuwendung eines Nutzungsrechts sehen wollte (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die Steuer wird nicht "von dem Kapitalwert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen" entrichtet, sondern aus dem nun unbelastet zur Verfügung stehenden Vermögensgegenstand. Ausnahmsweise ist jedoch § 23 ErbStG anwendbar, wenn der Verzicht nicht dem Eigentümer, sondern einem Dritten zugutekommt, insbesondere einem sukzessiv berufenen Nießbrauchsberechtigten.[7]

[1] Dazu eingehend Jülicher, ZErb 2020, 433.
[4] Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 23 Rz. 4.
[7] Ebenso Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 23 Rz. 5; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 23 Rz. 5; Michel, DStR 1986, 462.

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