Rz. 2

Bei Erwerben von Todes wegen ist Steuerschuldner gem. § 20 Abs. 1 ErbStG der Erwerber. Dies können der Erbe (Alleinerbe, Miterbe), der Vermächtnisnehmer oder der durch eine Auflage Begünstigte i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG[1] sein.

Bei einem Vorerbfall ist nur der Vorerbe Erwerber des Vermögens des Erblassers. Der Nacherbe ist – weil nicht Erwerber nach dem Erblasser – nicht Steuerschuldner für die durch Vorerbfall entstandene Erbschaftsteuer.

Erwerber i. S. d. § 20 Abs. 1 ErbStG und damit Steuerschuldner ist auch ein Pflichtteilsberechtigter, der seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat.

Der Erwerber bleibt auch dann Steuerschuldner, wenn ein Dritter durch Rechtsgeschäft unter Lebenden in dessen Stellung einrückt.[2] Dieser Grundsatz gilt selbst dann, wenn ein Pflichtteilsberechtigter seinen Pflichtteilsanspruch vor der Geltendmachung i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG abgetreten hat und erst der neue Gläubiger den Anspruch gegen den Erben geltend macht.[3]

 

Rz. 3

Neben natürlichen Personen können auch juristische Personen als Erwerber steuerpflichtig sein.[4] Die Erbengemeinschaft kann selbst nicht Steuerschuldnerin sein.[5] Das folgt schon aus der Ausgestaltung der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer. Danach kann die Erbengemeinschaft in Bezug auf das Vermögen, dessen Übergang erst ihre Entstehung kraft Gesetzes begründet, nicht selbst Erwerberin i. S. d. § 20 Abs. 1 ErbStG sein. Gleiches gilt für Gütergemeinschaften. Auch Personengesellschaften sind bezüglich des ihnen durch Erbanfall zufallenden Vermögens nicht Steuerschuldner.[6] Erwerber und damit Steuerschuldner sind in diesen Fällen vielmehr ausschließlich die einzelnen Gesamthänder, weil sie Träger der gesamthänderischen Rechte und Pflichten sind.[7] Die weitgehende zivilrechtliche Verselbständigung der Gesamthand[8] wird vom Erbschaftsteuerrecht nicht übernommen.[9] Dass die Gesamthänder Erwerber sind, folgt aus § 20 Abs. 1 ErbStG. Dies führt zu einem "Erwerbssplitting" und wird sich wegen des progressiv gestaffelten Tarifs und der individuellen Freibeträge häufig als günstig erweisen. Grundlegende Änderungen ergeben sich ab dem 1.1.2024 durch das MoPeG.[10] Zwar bestimmt § 713 BGB n. F., dass die für die PersGes erworbenen Recht und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten nicht mehr den Gesellschaftern zur gesamten Hand, sondern der Gesellschaft gehören, und damit an die Stelle eines gesamthänderisch gebundenen Vermögens der Gesellschafter ein Vermögen der Gesellschaft tritt.[11] Gleichwohl wird dadurch der Unterschied zwischen PersGes und juristischen Personen nicht eingeebnet. Die Regelungen zum Übergang des Anteils eines ausscheidenden Gesellschafters auf die verbleibenden Gesellschafter in § 712 BGB n. F. und zum Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters in § 712a BGB n. F. belegen, dass die rechtsfähigen PersGes gegenüber ihren Gesellschaftern nicht vollständig rechtlich verselbständigt sind.[12] Ähnlich wie bei § 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG sollte der Gesetzgeber klarstellen, welche steuerlichen Schlussfolgerungen aus der Aufgabe der Gesamthand im MoPeG gezogen werden soll.

Bei nichtrechtsfähigen Vereinen steht das Vereinsvermögen den einzelnen Vereinsmitgliedern gem. § 54 BGB i. V. m. § 718 BGB zur gesamten Hand zu.[13] Nur ausnahmsweise können Gebilde, die – wie Nachlasstrusts oder Inter-Vivos-Trusts – nach Bürgerlichem Recht (unter Einschluss des Internationalen Privatrechts) nicht rechtsfähig sind, Steuerschuldner i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 2 ErbStG sein. Dies gilt für die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG genannten Personenvereinigungen und Vermögensmassen, jedenfalls soweit sie die Tatbestände des § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 ErbStG und des § 7 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 ErbStG verwirklichen.[14]

 

Rz. 3a

Die Erbschaftsteuer kann auch gegen unbekannte Erben i. S. d. § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB festgesetzt werden, sofern ausreichend Zeit zur Erbenermittlung zur Verfügung stand. Hierfür veranschlagt die Rspr. in einfach gelagerten Fällen ein Jahr. Bei besonders schwierigen Fällen sei eine Steuerfestsetzung gegen unbekannte Erben jedenfalls nach 3 1/2 Jahren möglich. Die Steuerfestsetzung erfolgt in diesen Fällen gegenüber dem Nachlasspfleger, der dagegen nicht einwenden kann, dass das FA stattdessen gem. § 32 Abs. 1 S. 3 ErbStG Sicherheiten aus dem Nachlass hätte verlangen können. Im Rahmen der Steuerfestsetzung ist das FA auch zur Schätzung der Zahl der Erben und ihrer jeweiligen Erbquoten sowie der Verwandtschaftsbeziehung der jeweiligen Erben zum Erblasser befugt. Den Interessen der wahren Erben ist durch einen Vorläufigkeitsvermerk i. S. d. § 165 Abs. 1 S. 1 AO Rechnung zu tragen.[15]

[2] Meincke/Hannes/Holtz, § 20 Rz. 7, dort auch zu der hiervon abweichenden Sonderregelung des § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG.
[3] FG Hessen v. 7.3.1990, 10 K 389/83, EFG 1990, 587.
[4] Dazu zählen auch ausländische Staaten, BFH v. 24.11.1976, II R 99/67, BStBl II 1977, 213.

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