Rz. 2

Die konkrete Versorgungssituation ist – trotz der Begrifflichkeit Versorgungsfreibetrag – tatbestandsmäßig für die Gewährung ohne Bedeutung.

Versorgungsbezüge spielen lediglich für die Kürzung der Freibeträge eine Rolle. Der Freibetrag ist nämlich um den Kapitalwert bestimmter, nicht der Erbschaftsteuer unterliegender Versorgungsbezüge zu kürzen.

 

Rz. 2a

Hintergrund der Freibetragskürzung und damit der Norm insgesamt ist die Abmilderung der Ungleichbehandlung insbesondere gesetzlicher Versorgungsbezüge Hinterbliebener einerseits und privater Versorgungsformen andererseits.

Gesetzliche Versorgungsbezüge sind, weil nicht vom Erblasser, sondern von Gesetzes wegen und damit auch nicht freigiebig erworben, von vornherein nicht steuerbar. Dagegen sind private Versorgungsleistungen, vom Erblasser herkommend, als steuerbar anzusehen. Die damit verbundene Ungleichbehandlung wird über § 17 ErbStG dadurch vermindert, dass bei Empfängern nicht steuerbarer Versorgungsbezüge der Freibetrag um den Kapitalwert dieser Erwerbe gekürzt wird. Damit wird der Freibetrag insoweit nicht gewährt, wie die Versorgung durch nicht steuerbare Versorgungsbezüge schon gewährleistet ist. Bei Empfängern von nur privaten und damit steuerbaren Versorgungsbezügen kommt der Freibetrag dagegen genauso ungekürzt zum Abzug, wie bei Erwerbern, die gar keine Versorgungsbezüge erhalten, also Angehörigen bei denen die Versorgung in Form anderer Anlagen (Immobilien, Wertpapiere, etc.) gesichert wurde.

Eine vollständige Gleichstellung der Versorgungsarten gelingt aber nur, wenn der Kapitalwert der steuerfreien Versorgungsbezüge die gewährten Freibeträge nicht übersteigt. Geht der Kapitalwert darüber hinaus, bleibt die Privilegierung insoweit gegenüber anderen Versorgungsformen erhalten.

Weinmann hat für die Altersklassen 40–70 Jahre dargestellt, bis zu welcher Höhe der Versorgungsbezüge bei Ehegatten und Lebenspartnern die Gleichstellung gewährleistet ist.[1] Die dort errechnete Spanne reicht von monatlichen Versorgungsbezügen i. H. v. 1.266 EUR für eine 40-jährige Witwe bis zu 2.204 EUR für einen 70-jährigen Witwer. Die erhebliche Spreizung beruht auf der bei der Kapitalisierung der Versorgungsbezüge zu berücksichtigenden Lebenserwartung, die z. B. bei einer jungen Witwe besonders hoch ist. Obwohl es in der Gesellschaft hinsichtlich bestehender Versorgungsanwartschaften eine hohe Schwankungsbreite gibt, dürfte die Freibetragsbemessung unter Betrachtung des von Weinmann errechneten Rahmens vertretbar und damit aufgrund des Pauschalierungsrechts des Gesetzgebers verfassungsgemäß erfolgt sein.[2] Der weitergehende Hinweis des Gerichts in dieser Entscheidung, dass es i. S. d. Gleichbehandlung verfassungsrechtlich zwar nicht zwingend geboten, aber rechtspolitisch sachgerecht sei, den Versorgungsfreibetrag auch bei Ehepartnern nach der prognostizierten restlichen Lebenserwartung abzustufen[3], ist auch mit den jüngsten Reformen nicht aufgegriffen worden. Der feststehende Freibetrag wirkt nämlich in verschiedenen Altersstufen unterschiedlich, da der Wert der Versorgungsbezüge mit fortschreitendem Alter abnimmt und damit die Kürzung der Freibeträge bei älteren Personen geringer ausfällt.

Zur Höhe der Versorgungsfreibeträge der Kinder äußerte der BFH – anhand konkreter Berechnungen zu den damaligen Freibeträgen – erhebliche Zweifel, ob der Gesetzgeber sein Ziel erreicht hat, die unterschiedliche erbschaftsteuerliche Behandlung der auf Gesetz beruhenden Waisengelder einerseits und der auf einem privatrechtlichen Anstellungsvertrag beruhenden Waisengelder andererseits im Grundsatz zu beseitigen und gleichzeitig auch denjenigen Hinterbliebenen einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, denen aus Anlass des Todes des Erblassers keine oder nur geringe Versorgungsbezüge zustehen. Aus diesem Grund stellte er die Verfassungswidrigkeit der Norm nach Art. 3, 6, 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) in den Raum.[4] Eine verbindliche, abschließende höchstrichterliche Entscheidung ist zu dieser Frage bisher nicht vorhanden.

[1] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 17 Rz. 3.
[3] Analog der Regelung in § 17 Abs. 2 ErbStG.

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