Rz. 9

Für die Zuordnung zur Steuerklasse I geht es um eine Momentaufnahme (Rz. 2). Die Ehe/Lebenspartnerschaft muss daher bei Steuerentstehung[1], also grundsätzlich im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bzw. bei Schenkungen im Zeitpunkt der Ausführung rechtlich wirksam gewesen sein. Partner einer nichtigen oder aufhebbaren Ehe/Lebenspartnerschaft fallen unter die Steuerklasse I, solange die Ehe nicht für nichtig erklärt oder aufgehoben ist. Der Zustand der Ehe/Lebenspartnerschaft, wie etwa ein Getrenntleben, beeinträchtigt die Begünstigung – anders wie im Einkommensteuerrecht – nicht.

Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Partner einer – ggf. auch langjährigen – nichtehelichen Lebensgemeinschaft bei der Einteilung der Steuerklassen nicht den Ehegatten/Lebenspartnern gleichgestellt werden.[2]

Der in § 15 Abs. 1 und 3 ErbStG verwendete Rechtsbegriff "Lebenspartner" ist i. S. d. LPartG zu verstehen. Das umgangssprachliche Verständnis dieses Begriffs ist nicht maßgebend.[3]

Es ist auch nach anderen Normen des GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der überlebende Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht wie ein Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner behandelt wird. Die unterschiedliche Behandlung verstößt auch nicht gegen die in Art. 63 AEUV geregelte Kapitalverkehrsfreiheit.[4]

 

Rz. 10

Nach der Rspr. des BFH führt die gesetzlich vorgeschriebene Anwendung der ungünstigsten Steuerklasse (Steuerklasse III) bei Verlobten zu keiner unbilligen sachlichen Härte, selbst falls der Erbfall nach Bestellung des Aufgebots eingetreten ist.[5]

 

Rz. 11

 
Hinweis

Größere Geschenke vor der Ehe/Lebenspartnerschaft sollten unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten hinsichtlich der Wirksamkeit nachweisbar unter die aufschiebende Bedingung der vollzogenen Eheschließung/Eingehung der Lebenspartnerschaft gestellt werden.[6] Der Erwerb ist dann als während der Ehe/Lebenspartnerschaft eingetreten anzusehen. Der Zeitpunkt des Erwerbs bestimmt sich nämlich nach § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG nach dem Eintritt der Bedingung. Der erwerbende Ehegatte/Lebenspartner kann deshalb für einen solchen Erwerb die günstigste Steuerklasse I in Anspruch nehmen.

Gegebenenfalls kann auch bei Vorliegen eindeutiger Indizien ein aufschiebend bedingter Erwerb auf den Zeitpunkt des Eintritts der Eheschließung unterstellt werden. Ein Indiz für eine aufschiebende Bedingung kann es sein, wenn der begünstigte angehende Ehepartner/Lebenspartner vorab einen Erbverzichtsvertrag unterzeichnet hat und in der Zuwendung eine Entschädigung hierfür gesehen werden kann.[7] Eine solche Gestaltung sollte jedoch mit einer verbindlichen Auskunft abgesichert werden.

Ist eine aufschiebende Bedingung nicht nachweisbar oder klar indiziert und käme damit nach dem Todesfall des Verlobten/der Verlobten grundsätzlich Steuerklasse III zur Anwendung, kann allenfalls aufgrund einer persönlichen Unbilligkeit ein Antrag auf niedrigere Festsetzung beim FA gestellt werden.[8] Die Aussichten eines solchen Antrags dürften m. E. aufgrund der tatsächlich vorhandenen Bereicherung in der Regel nicht gut sein.

 

Rz. 12

Nach der Scheidung/Aufhebung der Lebenspartnerschaft bleibt immerhin eine Privilegierung nach Steuerklasse II (dort Nr. 7) erhalten. Obwohl nicht gesetzlich geregelt, gilt dies nach der Rspr. des BFH auch für die nichtig erklärte Ehe/Lebenspartnerschaft (Rz. 43).

 

Rz. 12a

 
Hinweis

Steuerliche Folgewirkungen für Leistungen im Falle und im Zusammenhang mit einer Scheidung lassen sich eingrenzen, indem zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen/Leistungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vorsehen, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind. In einer solchen sog. Bedarfsabfindung für den Scheidungsfall liegt nach Auffassung des BFH keine freigebige Zuwendung.[9]

Diese Nichtsteuerbarkeit gilt jedoch nicht für den Fall, dass mit dem Abschluss des Ehevertrags für den Verzicht auf Scheidungsfolgen unverzüglich zu leistende Zahlungen (Pauschalabfindungen) vorgesehen werden.

[6] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 15 Rz. 12.
[7] RFH v. 25.4.1940, IIIe 3/40, RStBl 1940, 615.
[8] Geck, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 15 Rz. 6.
[9] BFH v. 1.9.2021, II R 40/19, DStR 2022, 148.

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