Rz. 8a

Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 S. 1 ErbStG sollte Härten ausräumen, die sich aus einer möglichen Einordnung bestimmter Leistungen als freigebige Zuwendung einer Kapitalgesellschaft an Gesellschafter bzw. nahestehende Person im Hinblick auf Steuersatz und Freibetrag ergeben (vgl. Rz. 82, 83). Die Norm gewährt insoweit eine Privilegierung, als eine Schenkung einer Kapitalgesellschaft für die Zuordnung hinsichtlich Steuerklasse, Freibetrag und Vorschenkungen dem veranlassenden Gesellschafter als Rechtsfolgeabweichung zugeordnet wird. Damit kann häufig eine Besteuerung nach Steuerklasse III vermieden werden, die ansonsten grundsätzlich bei Schenkungen durch Kapitalgesellschaften zur Anwendung käme. Die Inanspruchnahme der Privilegierung ist nicht dispositiv. Zu den Einzelheiten vgl. Rz. 84–87.

§ 15 Abs. 4 ErbStG wurde angefügt durch das BeitrRLUmsG vom 7.12.2011.[1] Die Norm ist anzuwenden auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 13.12.2011 entsteht.

 

Rz. 8b

Die Bedeutung der Norm ist aktuell aufgrund der Fortentwicklung von Rspr. und Verwaltungsauffassung stark zurückgegangen.

Eingeführt wurde die Norm aufgrund einer Entscheidung des BFH vom 7.11.2007.[2] Darin vertrat der BFH in einem obiter dictum folgende Rechtsauffassung:

Zahlt eine Kapitalgesellschaft auf Veranlassung eines Gesellschafters einer dieser nahestehenden Person überhöhte Vergütungen, liegt regelmäßig keine freigebige Zuwendung des Gesellschafters an die nahestehende Person vor, sondern eine gemischte freigebige Zuwendung im Verhältnis der Kapitalgesellschaft zur nahestehenden Person.

Begründet wurde dieses Ergebnis mit der zivilrechtlichen Betrachtungsweise, die eine strikte Trennung zwischen den der Kapitalgesellschaft und den Gesellschaftern zuzurechnenden Leistungen vorsieht. Danach wird die Kapitalgesellschaft als eigenständige – intransparente – Rechtspersönlichkeit mit eigenem Vermögen gesehen, die sowohl Schenker als auch Beschenkte sein kann.

Die Verwaltung ist dieser Auffassung mit den gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder –zuletzt – vom 14.3.2012 – gefolgt.

Damit waren nunmehr in vielen Fällen Schenkungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern bzw. diesen nahestehenden Personen möglich.

Die damit verbundenen Härten in Bezug auf Freibetrag und Steuerklasse wurden durch die Regelung des § 15 Abs. 4 ErbStG vom Gesetzgeber gemildert.

Im Fortgang entschied der BFH jedoch abweichend in mehreren Entscheidungen, dass es im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern oder zu den Gesellschaftern einer an ihr beteiligten Kapitalgesellschaft neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, aber keine freigebigen Zuwendungen gebe.[3]

Der BFH hat in seinen Urteilen vom 13.9.2017[4] zum Zuwendungsverhältnis bei Zahlung überhöhter Entgelte durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person klar Stellung genommen. Die Zahlung überhöhter vertraglicher Entgelte durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person ist danach keine gemischte freigebige Zuwendung der GmbH an die nahestehende Person, wenn der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung zwischen der GmbH und der nahestehenden Person mitgewirkt hat. Der BFH hat jedoch zu erkennen gegeben, dass er entgegen seinen früheren Ausführungen im Urteil II R 28/06 vom 7.11.2007, bei einer verdeckten Gewinnausschüttung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person eine Vermögensverschiebung und damit eine Schenkung im Verhältnis zwischen Gesellschafter und nahestehender Person für möglich hält, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung auf Veranlassung des Gesellschafters erfolgt ist. Dies entspricht der Verwaltungsauffassung, die vor der Entscheidung des BFH im Jahr 2007[5] galt.

Mit der Veröffentlichung der BFH-Urteile[6] im BStBl folgt die Verwaltung nunmehr erneut der veränderten Einschätzung des BFH. Ein zunächst ausgebrachter Nichtanwendungserlass[7] gegen die BFH-Entscheidung aus dem Jahr 2013 wurde aufgehoben.

Die nunmehr geltende Verwaltungsauffassung ist zunächst in gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20.4.2018 zu Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften zusammengefasst und nunmehr in die Erbschaftsteuerrichtlinien – R E 7.5 ErbStR 2019, H E 7.5 ErbStH 2019 – übernommen worden.

Insbesondere die Einschätzung des BFH, wonach bei einer verdeckten Gewinnausschüttung zum Vorteil einer dem Gesellschafter nahestehende Person eine Vermögensverschiebung und damit eine Schenkung im Verhältnis zwischen Gesellschafter und nahestehender Person möglich ist, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung auf Veranlassung des Gesellschafters erfolgt, wurde von der Verwaltung in den Erlass aufgenommen und wie folgt fixiert:

  • Zahlt eine Kapitalgesellschaft auf Veranlassung eines Gesellschafters einer dieser nahestehenden Person, die nicht Gesellschafter ist, überhöhte Vergütungen, liegt regelmäßig ke...

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