Rz. 484

Bei einem Verstoß gegen die gesetzliche Behaltensregelung fallen der Verschonungsabschlag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) und der Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) mit Wirkung für die Vergangenheit weg.[1] Der Vorab-Abschlag für Familiengesellschaften (§ 13a Abs. 9 ErbStG) bleibt dagegen unberührt.

 

Rz. 485

Der Behaltensregelung fällt bei einem Verstoß gegen die Behaltensregelung i. d. R. nicht vollständig weg (kein "Fallbeileffekt").[2] Vielmehr kommt es (seit dem Jahr 2009) grundsätzlich nur noch zu einem zeitanteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags. Dies ist sachgerecht und angemessen. Der rückwirkende Wegfall des Verschonungsabschlags beschränkt sich dabei (mit Ausnahme des Falls der Überentnahmen) auf den Teil, der dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltefrist (einschl. des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt) zur gesamten Behaltefrist entspricht (§ 13a Abs. 6 S. 2 ErbStG). Entscheidend ist somit, wie viele volle Jahre das Unternehmen vom Erwerber fortgeführt worden ist.

 

Rz. 486

Im Fall von Überentnahmen (§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 ErbStG) entfällt der Verschonungsabschlag stets vollständig.[3] Die Nachversteuerung ist allerdings auf den Wert der Überentnahme beschränkt. Der Abzugsbetrag entfällt bei jedem Verstoß gegen die Behaltensregelung vollständig.

 

Rz. 487

Bei Verstoß gegen mehrere Behaltensregelungen gilt grundsätzlich das Prioritätsprinzip. Maßgebend ist der Verstoß, der in zeitlicher Hinsicht als erster verwirklicht wird. Damit ist der Tatbestand der Überentnahmen, dessen Vorliegen erst nach Ablauf des maßgeblichen Zeitraums festgestellt werden kann, gegenüber den anderen Nachsteuerfällen subsidiär.

 

Rz. 488

Ungeklärt ist, welche Sanktion eingreift, wenn der Erwerber sowohl gegen die Behaltensregelung als auch gegen die Lohnsummenregelung verstößt. Eine gesetzliche Regelung für solche Doppelverstöße fehlt.[4] In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Anhaltspunkte dazu, wie sich die einzelnen Sanktionsmechanismen untereinander verhalten. Die kumulative Anwendung beider Nachsteuerregelungen hätte eine übermäßige Besteuerung zur Folge und erscheint daher nicht sachgerecht. Nach dem Prioritätsprinzip hätte die Lohnsummenregelung neben der Behaltefrist keine eigenständige Bedeutung. Das Erreichen der Mindestlohnsumme kann stets erst nach Beendigung der 5-jährigen Lohnsummenfrist festgestellt werden, wohingegen etwaige Verstöße gegen die Behaltefrist nur zu einem früheren Zeitpunkt möglich sind. Allerdings hat sich der Gesetzgeber (anders als dies etwa noch im Regierungsentwurf vorgesehen war) bewusst gegen eine jährliche Kontrolle der Lohnsumme entschieden. Wird das Unternehmen nicht bis zum Ende der Lohnsummenfrist fortgeführt, kann insoweit auch keine Kontrolle mehr erfolgen. Bei einem Verstoß gegen die Behaltefrist hat der Erwerber im Übrigen auch keine Möglichkeit, ein etwaiges Unterschreiten der Mindestlohnsumme durch gezielte Maßnahmen kurz vor Ende der Lohnsummenfrist auszugleichen. Gleichwohl erscheint eine uneingeschränkte Anwendung des Prioritätsprinzips nicht überzeugend. Nach dem gesetzlichen Regelungsmodell stehen die beiden Auflagen (Behaltensregelung und Lohnsummenkontrolle) gleichberechtigt und gleichwertig nebeneinander. Der eigenständigen Bedeutung der Lohnsummenregelung würde es nicht gerecht werden, wenn bei einem (zeitlich früheren) Verstoß gegen die Behaltefrist, die Lohnsummenregelung stets unbeachtet bleiben würde. Schließlich wäre eine solche Auslegung auch besonders anfällig für missbräuchliche Gestaltungen. Bei einem absehbaren Verstoß gegen die Lohnsummenregelung könnte der Erwerber möglicherweise bewusst gegen die Behaltensregelung verstoßen und damit die schärfere Sanktion der Lohnsummenregelung vermeiden. Richtigerweise müssen bei einem doppelten Verstoß der gesetzlichen Auflagen auch beide Sanktionsmechanismen eingreifen. Allerdings muss die jeweilige Nachsteuer angepasst werden, um eine übermäßige Besteuerung zu vermeiden. Anstelle einer komplizierten Anrechnung erscheint es sachgerecht, die Verschonung nach der Vorschrift zu reduzieren, aus der sich im Einzelfall der höhere Kürzungsbetrag ergibt.[5]

 

Rz. 489

Mehrere Erwerber haben die Behaltensregelung jeweils getrennt und unabhängig voneinander einzuhalten. Verstößt nur einer von mehreren Erwerbern gegen die Behaltensregelungen, kommt es nur bei diesem (und nicht bei allen Erwerbern) zu einer Nachversteuerung.[6] Die anderen Erwerber haften auch nicht für eine etwaige Nachsteuer (auch nicht nach § 2060 BGB, da die Nachsteuer keine Nachlassverbindlichkeit ist).

 

Rz. 490

Für die Nachsteuer haftet neben dem Erwerber grundsätzlich auch der Schenker[7] Dies ist allerdings im Regelfall nicht interessengerecht.[8] Eine Einschränkung der Steuerhaftung des Schenkers wurde im Gesetzgebungsverfahren zwar diskutiert, schließlich aber doch nicht ins Gesetz aufgenommen. Im Bericht des Finanzausschusses des BT findet sich dazu immerhin folgender Hinweis (BT-Drs. 16/11107, 7 f.):

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