Rz. 701

Für begünstigtes Vermögen wird "vor" Anwendung des Verschonungsabschlags von 85 % bzw. 100 % ein (zusätzlicher) "Abschlag" gewährt (§ 13a Abs. 9 S. 1 ErbStG).[1]

 

Rz. 702

Der Vorab-Abschlag wird nur für das "begünstigte Vermögen" (§ 13b Abs. 2 ErbStG) gewährt, nicht auch für das Verwaltungsvermögen. Der Vorab-Abschlag erfolgt zusätzlich zu der Verschonung i. H. v. 85 % bzw. 100 %.

 

Rz. 703

Der Abschlag erfolgt nach dem Gesetzeswortlaut von Amts wegen. Ein Antrag ist an sich nicht erforderlich, in der Praxis aber gleichwohl empfehlenswert.[2]

 

Rz. 704

Die Rechtsnatur des Vorab-Abschlags ist nicht ganz eindeutig. Gesetzeswortlaut und Regelungsort deuten darauf hin, dass es sich bei dem "Vorab-Abschlag" um eine Verschonung handelt. In den Gesetzesmaterialien wird der Abschlag allerdings als eine "besondere Steuerbefreiung" bezeichnet.[3]

 

Rz. 705

Nach der Zielsetzung des Gesetzgebers soll der Vorab-Abschlag keine Bewertungsvorschrift sein. Die allgemeinen Vorschriften über die Bewertung (§ 9 BewG) bleiben unberührt. Missverständlich waren insoweit die Ausführungen in einer Presseerklärung vom Juni 2016. Dort war noch davon die Rede, dass die Steuerbefreiung für Familienunternehmen von max. 30 % "bei der Bestimmung des Unternehmenswerts" berücksichtigt wird. In der parlamentarischen Debatte wurde teilweise ebenfalls von einem "Abschlag von bis zu 30 Prozent bei der Bewertung" gesprochen.[4]

 

Rz. 706

Der Vorab-Abschlag gilt für den Erwerb von allen Anteilen an Familienunternehmen, bei denen die Rechte der Gesellschafter entsprechend beschränkt sind. Auf die Bedürftigkeit des Erwerbers kommt es insoweit nicht an. Der Vorab-Abschlag wird unabhängig von dem Wert des Erwerbs gewährt und gilt auch bei großen Erwerben von über 26 Mio. EUR und von über 90 Mio. EUR.

 

Rz. 707

Die Höhe des Abschlags beträgt nicht stets 30 %, sondern richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls.[5] Maßgebend ist die Differenz zwischen dem gemeinen Wert des Anteils und der (fiktiven) Höhe des Anspruchs eines ausscheidenden Gesellschafters gemäß dem Gesellschaftsvertrag. Beide Werte müssen getrennt voneinander ermittelt werden. Der Gesellschaftsvertrag bestimmt den Abfindungsbetrag meist nach eigenen Formeln (und nicht etwa gemeiner Wert abzüglich eines prozentualen Abschlags). Die Ermittlung dieser Werte dürfte in der Praxis sehr aufwendig und streitanfällig sein.

 

Rz. 708

Die Berechnung ist vor allem dann schwierig, wenn die Höhe der Abfindung im Gesellschaftsvertrag für einzelne Gesellschafter und/oder bestimmte Fälle des Ausscheidens unterschiedlich geregelt ist (z. B. good leaver und bad leaver-Klauseln). Ein Durchschnittswert lässt sich kaum bilden. Bei der Erbschaftsteuer wäre es naheliegend, auf die Abfindung im Fall des Todes abzustellen. Bei der Schenkungsteuer muss die Unklarheit zulasten des Gesetzgebers gehen, sodass die höchste Abfindung maßgebend ist.[6] Im Schrifttum wird teilweise auch vorgeschlagen, dass die Abfindung für den Regelfall der ordentlichen Kündigung eines Gesellschafters maßgebend sein soll.[7]

 

Rz. 709

Die Höhe des Vorab-Abschlags soll stets auf max. 30 % beschränkt sein. Dies soll auch dann gelten, wenn der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters ausnahmsweise in größerem Umfang beschränkt oder ganz ausgeschlossen ist.

 

Rz. 710

Für den Vorab-Abschlag kommt es auf die Abweichung der tatsächlichen Abfindung vom "gemeinen Wert" der Beteiligung an (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 3 ErbStG und § 11 Abs. 2, § 9 BewG). Zivilrechtlich richtet sich die Abfindung allerdings nach dem Verkehrswert des Anteils (§ 738 BGB), sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anders regelt. Verkehrswert und gemeiner Wert müssen keineswegs immer identisch sein.[8]

 

Rz. 711

Die Höhe des Vorab-Abschlags richtet sich alleine nach der Beschränkung der Abfindung. Die sonstigen Beschränkungen sind insoweit ohne jede Bedeutung. Entnahme- und Verfügungsbeschränkungen gehören somit nur zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Vorab-Abschlags, nicht aber auch zu den Rechtsfolgen.

 

Rz. 712

Die Anknüpfung des Vorab-Abschlags an die Beschränkung der Abfindung kann inhaltlich nicht überzeugen. (Steuerliche) Verschonung und (zivilrechtliche) Abfindungsbeschränkung haben nichts miteinander zu tun. Der Gesetzgeber stellt insoweit einen sachwidrigen Zusammenhang her, der sich in keiner Weise rechtfertigen lässt. Der Vorab-Abschlag bezieht sich zudem auf das begünstigte Vermögen (ohne das Verwaltungsvermögen). Die Abfindung betrifft dagegen den gesamten Gesellschaftsanteil (mit dem Verwaltungsvermögen).

 

Rz. 713–715

einstweilen frei

[1] R E 13a.20 Abs. 1 ErbStR 2019.
[2] R E 13a.20 Abs. 1 S. 2 ErbStR 2019: kein Antragserfordernis, aber Nachweisverpflichtung.
[3] BT-Drs. 18/8911, 41.
[4] Bundesrat, Plenarprotokoll 947, Sitzung v. 8.7.2016,271; Heike Taubert, Thüringen: "Geschenk von einem Drittel der Bemessungsgrundlage".
[5] Dazu R E 13a.20 Abs. 5 ErbStR 2019.
[6] So auch R E 13a.20 Abs. 5 S. 4 ErbStR 2019.
[7] So wohl Hannes, ZEV 2016, 554, 557; Weber/Schwin...

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