Rz. 671

Der Gesellschaftsvertrag muss "für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft eine Abfindung vorsehen, die unter dem gemeinen Wert der Beteiligung an der Personengesellschaft oder des Anteils an der Kapitalgesellschaft liegt" (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 3 ErbStG).[1]

 

Rz. 672

Nach dem gesetzlichen Regelungsmodell hat ein ausscheidender Gesellschafter einen Abfindungsanspruch in Höhe des Verkehrswerts seines Anteils (s. § 738 BGB). Der Gesellschaftsvertrag muss diesen Abfindungsanspruch beschränken. Eine "erhebliche" Beschränkung ist (anders als noch im Regierungsentwurf vorgesehen) nicht mehr erforderlich. Die Höhe der Beschränkung ist allerdings maßgeblich für den steuerlichen Verschonungsabschlag (s. § 13a Abs. 9 S. 2 ErbStG). Für den maximalen Vorab-Abschlag von 30 % muss die Abfindung somit um 30 % (gegenüber dem gemeinen Wert) beschränkt werden.

 

Rz. 673

Das Gesetz spricht vom "Ausscheiden" eines Gesellschafters. Bei den PersGes sind die Fälle des Ausscheidens eines Gesellschafters gesetzlich geregelt[2], bei den KapGes fehlt es an einer gesetzlichen Regelung (s. nur § 34 GmbHG und §§ 237 ff. AktG über die Einziehung der Anteile). Ausschluss und Kündigung sind aber auch bei Kapitalgesellschaften (zumindest bei Vorliegen eines wichtigen Grundes) möglich. Die Regelung erfasst alle Fälle des (freiwilligen oder zwangsweisen) Ausscheidens eines Gesellschafters. Auf Art, Anlass oder Grund des Ausscheidens kommt es nicht an. Kündigung und Ausschluss sind gleichermaßen erfasst. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Gesellschaftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters auf eine andere Person (die Gesellschaft, einen Mitgesellschafter oder einen Dritten) übergeht oder untergeht (Umkehrschluss zu § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 7 Abs. 7 ErbStG).

 

Rz. 674

Entscheidend ist in allen Fällen, dass dem ausscheidenden Gesellschafter ein Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft (§ 738 BGB) zusteht. Nicht erfasst sind daher die Fälle, in denen der ausscheidende Gesellschafter einen Kaufpreisanspruch gegen den Erwerber hat (z. B. beim Erwerb eigener Anteile durch die GmbH nach § 33 GmbHG).

 

Rz. 675

Der Steuergesetzgeber geht offenbar davon aus, dass die Höhe der Abfindung in den Gesellschaftsverträgen derart geregelt ist, dass sie sich nach einem prozentualen Abschlag auf den gemeinen Wert bestimmt. Dies ist aber regelmäßig nicht der Fall, sodass künftig mindestens 2 Werte (und zwar genau) ermittelt werden müssen: der gemeine Wert des Anteils und die Abfindung nach dem Gesellschaftsvertrag. Dies ist gleichermaßen aufwendig und streitanfällig.

 

Rz. 676

Im Zusammenhang mit der Abfindungsbeschränkung schafft der Gesetzgeber widersprüchliche Anreize. Einerseits ist die Beschränkung der Abfindung Voraussetzung für die Gewährung eines Vorab-Abschlags. Andererseits löst die Abfindungsbeschränkung aufgrund einer bloßen Fiktion Steuern aus (§ 3 Abs. 2 Nr. 2, § 7 Abs. 7 ErbStG). Die Zielrichtung beider Regelungen ist kaum miteinander in Einklang zu bringen, sodass von einer folgerichtigen Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung nicht die Rede sein kann.

[1] R E 13a.20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 ErbStR 2019.
[2] Derzeit § 131 Abs. 3 HGB und ab dem 1.1.2024 § 138 HGB i. d. F. des MoPeG, BGBl I 2021, 3436.

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