12.2.1.2.1 Überblick

 

Rz. 642

Der Gesellschaftsvertrag muss die "Verfügung über die Beteiligung an der Personengesellschaft oder den Anteil an der Kapitalgesellschaft auf Mitgesellschafter, auf Angehörige im Sinne des § 15 AO oder auf eine Familienstiftung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) beschränken" (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG).[1]

 

Rz. 643

Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom September 2015[2] war der Kreis der begünstigten Personen noch auf Angehörige (i. S. v. § 15 Abs. 1 AO) beschränkt. Dies wurde vielfach als zu eng kritisiert. In der vom Bundestag im Juni 2016 beschlossenen Gesetzesfassung[3] ist die jetzige Erweiterung auf Mitgesellschafter, Angehörige (i. S. v. § 15 Abs. 1 und 2 AO) und Familienstiftungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) erfolgt. Der Bundesrat hat die Aufnahme der Mitgesellschafter kritisiert, da auf diese Weise "mit einer kurzen Wartezeit (in der ein neuer Mitgesellschafter hereingeholt werden kann) auch fremde Dritte einbezogen werden können".[4] Diese Bedenken haben sich jedoch nicht durchgesetzt; sie waren im Ergebnis auch unberechtigt. Die "kurze Wartezeit" lässt zudem die gesetzliche Frist von 2 Jahren (§ 13a Abs. 9 S. 4 ErbStG) unberücksichtigt.

[1] R E 13a.20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ErbStR 2019.
[2] BT-Drs. 18/5923, S. 10 und 23.
[3] BR-Drs. 344/16.
[4] BR-Drs. 344/1/16, S. 3 f.

12.2.1.2.2 Mitgesellschafter, Angehörige und Familienstiftungen

 

Rz. 644

Die Verfügung über die Gesellschaftsanteile muss auf Mitgesellschafter, Angehörige und Familienstiftungen beschränkt werden.

 

Rz. 645

Der Begriff der Angehörigen bestimmt sich nach der allgemeinen Regelung der Abgabenordnung (§ 15 AO) und umfasst alle (auch frühere) Angehörigen (z. B. geschiedene Ehegatten, § 15 Abs. 2 AO).[1] Vergleichbare Formen familiären oder partnerschaftlichen Beziehungen nach ausländischem Recht sind gleichfalls anzuerkennen. Nicht umfasst sind dagegen familienfremde Mitarbeiter, was sich in der Praxis insbesondere bei Mitarbeiterbeteiligungsmodellen als nachteilig erweisen kann.[2]

 

Rz. 646

Der Gesetzgeber hat (vermögensverwaltende) Familien-Gesellschaften (trotz entsprechender Anregungen) den Mitgesellschaftern und Angehörigen nicht gleichgestellt. Dies ist zumindest bei (vermögensverwaltenden) Personengesellschaften steuersystematisch nicht überzeugend. Solche Beteiligungen werden für Zwecke des ErbStG als transparent angesehen (§ 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG und § 39 AO), sodass es keinen Unterschied machen kann, ob die Verfügung über einen Gesellschaftsanteil zugunsten eines Mitgesellschafters bzw. Angehörigen oder dessen vermögensverwaltender Gesellschaft erfolgt. Der Gesetzeswortlaut sieht hier (anders als z. B. bei § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG) auch kein Erfordernis einer "unmittelbaren" Beteiligung vor.[3]

 

Rz. 647

Der Kreis der begünstigten Verfügungsbegünstigten umfasst auch "Familienstiftungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG)". Dies erscheint sachgerecht, da Anteile an Familienunternehmen oftmals auch von Familienstiftungen gehalten werden. Der Steuergesetzgeber verwendet damit erstmals den Begriff der Familienstiftung im ErbStG, der sonst immer nur abstrakt umschrieben worden ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG: Stiftung, die wesentlich im Interesse einer oder bestimmter Familien errichtet worden ist). Mit dem Begriff der Familienstiftung sind nur rechtsfähige Stiftungen (§§ 80 ff. BGB) gemeint, nicht auch unselbstständige Stiftungen oder bloße Treuhandverhältnisse.

 

Rz. 648

Der Gesetzeswortlaut "eine" Familienstiftung ist nicht als eine zahlenmäßige Beschränkung zu verstehen. Vielmehr sind auch mehrere (und unterschiedliche) Familienstiftungen (eines oder mehrerer Gesellschafter) umfasst (ebenso wie mehrere Mitgesellschafter und mehrere Angehörige).

 

Rz. 649

Bei der Familienstiftung muss es sich nicht zwingend um eine Stiftung von Gesellschaftern oder Angehörigen handeln. Erfasst sind alle Familienstiftungen. Die Stiftung kann somit auch den Zweck haben, Familienmitglieder zu unterstützen, bei denen es sich nicht um Mitgesellschafter und/oder Angehörige handelt.

 

Rz. 650

Private Stiftungen, die nicht den Interessen einer Familie, sondern z. B. den Mitarbeitern eines Unternehmens dienen, fallen nicht unter die Regelung. Nach der gesetzgeberischen Zielsetzung müssten aber auch solche Mitarbeiterstiftungen erfasst werden, um z. B. die Nachfolge bei kinderlosen Gesellschaftern zu gewährleisten.

 

Rz. 651

Familienvereine sind nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht erfasst, obwohl das Vermögen von Familienstiftungen und -vereinen in gleicher Weise der Erbersatzsteuer (nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) unterliegt.[4]

 

Rz. 652

Steuerbegünstigte (gemeinnützige) Stiftungen (§§ 51 ff. AO) werden durch die Regelung nicht begünstigt (s. § 52 Abs. 1 S. 2 AO). Der Umstand, dass gemeinnützige Stiftungen schlechter behandelt werden als private Familienstiftungen, ist weder steuersystematisch noch rechtspolitisch nachvollziehbar (s. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG). Mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz lässt sich diese Unterscheidung nicht vereinbaren.

 

Rz. 653

Die Familienstiftung muss ihren Satzungssitz oder ihre Geschäftsleitung...

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