Rz. 603

Der Vor-Abschlag wird beim Erwerb von Anteilen an bestimmten Gesellschaften gewährt. Meist werden diese Gesellschaften kurz als Familienunternehmen bezeichnet.[1] Die gesetzliche Regelung ist jedoch in keiner Weise auf Familienunternehmen beschränkt, sondern gilt für alle Personen- und Kapitalgesellschaften. In der Gesetzesbegründung wird aber mehrfach darauf hingewiesen, dass sich entsprechende Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen vor allem in den Gesellschaftsverträgen von "(großen) familiengeführten Unternehmen" finden. Die gesetzgeberische Zielsetzung kommt auch darin zum Ausdruck, dass Anteilsübertragungen auf (Familien-)Angehörige und Familienstiftungen privilegiert sind.

 

Rz. 604

Der Gesetzeswortlaut definiert den Kreis der begünstigten Unternehmen nicht ausdrücklich. Der Anwendungsbereich ergibt sich lediglich mittelbar durch die Bezugnahme auf Personen- und Kapitalgesellschaften (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nrn. 2 und 3 ErbStG) und die Notwendigkeit eines Gesellschaftsvertrags bzw. einer Satzung (§ 13a Abs. 9 Halbs. 1 ErbStG).

 

Rz. 605

Den Erwerbern von Einzelunternehmen (Gewerbebetrieben) wird der Vorab-Abschlag nicht gewährt.[2] Der Gesetzgeber hat (trotz wiederholter Kritik) an dieser Benachteiligung von Einzelunternehmen festgehalten. In der Praxis sollten Einzelunternehmen daher rechtzeitig einen Rechtsformwechsel in eine Einpersonen-GmbH oder -GmbH & Co. KG in Betracht ziehen (z. B. nach §§ 20, 24 UmwStG). Der Rechtsformwechsel muss mindestens 2 Jahre vor der Übertragung der Gesellschaftsanteile vollzogen worden sein. Die Rückwirkung des Umwandlungssteuergesetzes (bei der Einbringung) gilt nicht für das ErbStG.

 

Rz. 606

Der Begriff der Personengesellschaft umfasst neben OHG und KG (einschl. auch GmbH & Co. KG) insbesondere die Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Der Gesetzgeber hat hier den zivilrechtlichen Begriff der Personengesellschaft verwendet und nicht wie sonst auf den steuerrechtlichen Mitunternehmerbegriff abgestellt (etwa beim begünstigungsfähigen Vermögen in § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Die Verfügungsbeschränkung im Gesellschaftsvertrag muss sich dementsprechend auch nur auf die (zivilrechtliche) "Beteiligung an der Personengesellschaft" und nicht auch auf das steuerrechtliche Sonderbetriebsvermögen beziehen.

 

Rz. 607

Der Begriff der Kapitalgesellschaft umfasst insbesondere AG's, GmbH's (einschl. UG's (haftungsbeschränkt), § 5a GmbHG), Europäische Gesellschaften (SE) und KGaA (s. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Nach Auffassung der FinVerw soll der Vorweg-Abschlag für Aktiengesellschaften nicht zur Anwendung kommen, weil das Aktiengesetz keine entsprechende Einschränkung in der Satzung zulässt.[3] Dies ist mit dem Gesetzeswortlaut des ErbStG (§ 13a Abs. 9 S. 1 Nr. 2 ErbStG: "Kapitalgesellschaft") nicht vereinbar und widerspricht den Gestaltungsmöglichkeiten des AktG (s. §§ 67 ff. AktG).[4]

 

Rz. 608

Der Vorab-Abschlag gilt gleichermaßen für in- und ausländische Gesellschaften, deren Anteile unmittelbar übertragen wurde. Auf den Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung kommt es nicht an (vorbehaltlich § 13b Abs. 1 Nrn. 2 und 3 ErbStG). Die Regelung gilt ferner unabhängig von Art, Größe und Branche des Unternehmens. Grundsätzlich werden auch börsennotierte und kapitalmarktorientierte Unternehmen erfasst.

[1] So auch in R E 13a.20 ErbStR 2019: Vorwegabschlag bei Familienunternehmen.
[2] H. M., s. nur R E 13a.20 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 ErbStR 2019 und Landsittel, ZErb 2016, 383, 387, a. A. aber Bäuml, NWB 47/2016, 3516, 3519.
[3] R E 13a.20 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 ErbStR 2019.
[4] S. Rz. 659.

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