Rz. 335

Der für die Schätzung des künftigen Jahresertrags maßgebliche Durchschnittsertrag ist nach § 201 Abs. 2 S. 1 BewG möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten 3 vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleiten. Anstelle des drittletzten abgelaufenen Wirtschaftsjahres ist nach § 201 Abs. 2 S. 2 BewG das gesamte Betriebsergebnis eines am Bewertungsstichtag noch nicht abgelaufenen Wirtschaftsjahres einzubeziehen, wenn es für die Herleitung des künftig zu erzielenden Jahresertrags von Bedeutung ist. Darin liegt eine Abweichung von dem bis zum Inkrafttreten des ErbStRG aufgrund von R 99 Abs. 1 S. 3 ErbStR 2003 geltenden Rechtszustand, wonach das Betriebsergebnis des zum Bewertungsstichtag laufenden Wirtschaftsjahres bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes nicht einmal anteilig berücksichtigt werden konnte.[1] Die Einbeziehung des gesamten Betriebsergebnisses des laufenden Wirtschaftsjahres hat zwar zur Folge, dass auch erst nach dem Bewertungsstichtag eintretende Umstände in die Ermittlung des Durchschnittsertrags einfließen. Ein Verstoß gegen das Stichtagsprinzip des § 11 ErbStG kann darin aber nicht gesehen werden, weil die nachträglich eintretenden Umstände lediglich als Erkenntnishilfsmittel zur Bestimmung des nach den Verhältnissen des Stichtags zu erwartenden Jahresertrags dienen und dieser ohnehin eine zukunftsbezogene Größe darstellt.[2]

 

Rz. 336

Nähere Hinweise dazu, unter welchen Voraussetzungen das laufende Wirtschaftsjahr für die Herleitung des künftig zu erzielenden Jahresertrags von Bedeutung ist, gibt § 201 Abs. 2 BewG nicht. In dem Bericht des Finanzausschusses (BT-Drs. 16/11107, 27) heißt es, das laufende Wirtschaftsjahr sei einzubeziehen, wenn sich nach den Umständen des Einzelfalls abzeichne, dass die Ertragsentwicklung dieses Jahres für die Prognose des Zukunftsertrags bedeutsam sei. Die – vollständige – Berücksichtigung des noch nicht abgeschlossenen Wirtschaftsjahres liegt umso näher, je größer der zum Bewertungsstichtag bereits abgelaufene Teil des Gewinnermittlungszeitraums ist.[3] Daneben kann der Umstand von Bedeutung sein, wie stark das Ergebnis des laufenden von dem des drittletzten Wirtschaftsjahres abweicht und ob diese Abweichung als Ausdruck einer den gesamten Referenzzeitraum bestimmenden Entwicklung angesehen werden kann.

Umfasst der 3-jährige Ermittlungszeitraum bei einer Neugründung zu Beginn ein Rumpfwirtschaftsjahr, ist regelmäßig nicht das Betriebsergebnis des Rumpfwirtschaftsjahrs, sondern das volle Betriebsergebnis des letzten, noch nicht abgelaufenen Wirtschaftsjahrs einzubeziehen.[4]

 

Rz. 337

Nach § 201 Abs. 3 S. 2 BewG ist bei Unternehmen, die durch Umwandlung, durch Einbringung von Betrieben oder Teilbetrieben oder durch Umstrukturierungen entstanden sind, bei der Ermittlung des Durchschnittsertrags von den früheren Ergebnissen des Gewerbebetriebs oder der Gesellschaft auszugehen. Bei den Umwandlungen und Einbringungen ist an die im UmwStG angesprochenen Sachverhalte, bei Umstrukturierungen an Fälle der Begründung oder Aufhebung einer Betriebsaufspaltung oder einer Realteilung zu denken. Soweit sich die Änderung der Rechtsform auf den Jahresertrag auswirkt, sieht § 201 Abs. 3 S. 3 BewG eine entsprechende Korrektur der Ergebnisse der früheren Jahre nach Maßgabe des § 202 BewG vor. Zu denken ist etwa an den Abzug des Unternehmerlohns, wenn dieser vor der Umwandlung des Personenunternehmens in eine Kapitalgesellschaft noch nicht abgezogen werden konnte.[5]

 

Rz. 338

Zur Ermittlung des maßgeblichen Durchschnittsertrages ist die Summe der Betriebsergebnisse der maßgeblichen Wirtschaftsjahre durch 3 zu teilen.[6] Anders als nach R 99 Abs. 3 ErbStR 2003 ist keine Gewichtung der Betriebsergebnisse dieser Jahre in Abhängigkeit von der seit ihrem Ablauf verstrichenen Zeit mehr vorgesehen. Offenbar geht der Gesetzgeber davon aus, dass die im bisherigen Recht vorgesehene Übergewichtung der stichtagsnäheren Betriebsergebnisse durch die Möglichkeit zur vollständigen Einbeziehung des zum Stichtag laufenden Jahres entbehrlich geworden ist. Außerdem trägt die gleichmäßige Gewichtung aller Jahre dazu bei, die Schwankungen zwischen den einzelnen Jahren auszugleichen.[7]

[2] Mannek, DB 2008, 423, 426.
[3] Mannek, DB 2008, 423, 426.
[4] R B 201 Abs. 4 S. 1 ErbStR 2019.
[5] Piltz, DStR 2008, 745, 750.
[7] Mannek, DB 2008, 423, 426.

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