Rz. 65

Muss ein Erwerber die Erbschaft- oder Schenkungsteuer für seinen Erwerb nicht zahlen, weil sie ein anderer übernommen hat oder einem anderen auferlegt worden ist, bestimmt § 10 Abs. 2 ErbStG, dass der von der Zahlung befreite Erwerber stets auch diesen Vermögensvorteil, als zusätzliche Bereicherung, zu versteuern hat.[1] Mit einer – sachlich und rechnerisch vereinfachten – Methode behandelt das Gesetz die Übernahme der Steuer nicht als einen zusätzlichen Steuerfall, sondern als eine Werterhöhung der Schenkung[2]; dies gilt nicht, wenn die Steuer nachträglich übernommen wird.[3] Konstitutiv ist die Vorschrift insoweit, als sie verhindert, fortlaufend die Steuer auf die übernommene Steuer als weitere freigebige Zuwendungen erfassen zu müssen[4], was mathematisch korrekt wäre und sich in einem IT-gestützten Verfahren auch mit überschaubaren Aufwand berechnen ließe.

Die Übernahmevereinbarung hat zusammen mit dem Schenkungsversprechen in der gehörigen Form zu erfolgen. Ist das Schenkungsversprechen wegen Formmangels unwirksam, kann die Formunwirksamkeit durch Vollzug geheilt werden. Dies bedeutet, dass auch die Zahlung der Steuer erfolgen muss. Hierzu sollte man dem FA ggf. Gelegenheit geben.

 

Rz. 66

Um den (Gesamt-)Erwerb zu ermitteln, ist der Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG, für den ein anderer die Steuer übernommen hat oder die Steuer einem anderen auferlegt worden ist, und die Steuer, die für diesen Erwerb anfallen würde, zusammenzuzählen. Aus diesem Gesamterwerb ist der steuerpflichtige Erwerb zu ermitteln und die Steuer festzusetzen.

 
Praxis-Beispiel
 
  M schenkt dem J 264.800 EUR M schenkt dem J 190.899 EUR (also das, was J netto nach Steuerzahlung hat) und übernimmt die Steuer.
   

1. Rechenschritt

(Steuer auf ­Erwerb)

2. Rechenschritt

(Erwerb + Steuer ergibt "Gesamt­schenkung")

3. Rechenschritt

(Steuer auf Gesamt­schenkung)
Bereicherung[5] 264.099 EUR 190.899 EUR

190.899 EUR +

51.240 EUR

= 242.139 EUR
242.139 EUR
./. Freibetrag[6] 20.000 EUR 20.000 EUR   20.000 EUR
Abgerundet[7] 244.000 EUR 170.800 EUR   222.100 EUR
Steuersatz 30 %[8] 73.200 EUR 51.240 EUR   66.630 EUR
         
Netto bei J 190.899 EUR      
"Belastung" M: 264.099 EUR    

190.899 EUR + 66.630 EUR

= 257.529 EUR
Übernimmt M die Steuer, muss er 257.529 EUR aufwenden, damit J netto 190.899 EUR erhält; zahlt J die Steuer, muss M 264.099 EUR aufbringen, damit J ebenfalls (nur) 190.899 EUR netto erhält.
 

Rz. 67

Das Beispiel zeigt, dass die Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker regelmäßig eine steuergünstige Gestaltung ist. § 10 Abs. 2 ErbStG lässt nämlich bei der Bemessungsgrundlage unberücksichtigt, dass die Zuwendung der Steuer das Vermögensopfer des Schenkenden erhöht. Eine allgemein gültige Formel zur Errechnung des erzielbaren Steuervorteils gibt es allerdings nicht. Es bedarf daher einer Berechnung der möglichen Steuerersparnis für den jeweiligen Einzelfall.[9] Die mit der Übernahme der Steuer verbundenen steuerlichen Vorteile lassen sich sowohl bei Geldzuwendungen als auch bei Sachzuwendungen erzielen. Die Regelung des § 10 Abs. 2 ErbStG stammt aus einer Zeit vor dem flächendeckenden Einsatz von IT und sollte in den davon erfassten Fällen einer Berechnung der Steuer "von Hand" erlauben. Der mit der Übernahme der Steuer einhergehende Steuervorteil ist daher sachlich nicht mehr länger zu rechtfertigen und sollte vom Gesetzgeber überdacht werden.

 

Rz. 68

Soweit der Schenker eine Geldzuwendung um den zur Begleichung der Steuer erforderlichen Betrag kürzt, liegt hierin bezüglich des zur Steuerbegleichung erforderlichen Betrags weder eine steuerpflichtige Rückschenkung des Beschenkten noch ein Fall des § 42 AO, da der Schenker eine vom Gesetz bewusst eröffnete vorteilhafte Gestaltung nutzt. Bei einer Sachschenkung können die Vorteile des § 10 Abs. 2 ErbStG durch gemischte Schenkung in der Weise gesichert werden, dass der Beschenkte dem Schenker die zu entrichtende Steuer erstattet.[10] Eine abschließende Klärung der Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 ErbStG in diesen Fällen steht allerdings noch aus. Gegen die steuerliche Anerkennung einer Rückerstattung der Steuer durch den Beschenkten ist eingewandt worden, dass es – bei teleologischer Auslegung des § 10 Abs. 2 ErbStG – an einer Übernahme der Steuer durch den Schenker fehlt.[11]

 

Rz. 69

Der mit § 10 Abs. 2 ErbStG verbundene Steuerspareffekt kann auch bei der Zuwendung von Auslandsvermögen erzielt werden.

 

Rz. 70

Bei beschränkter Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) kann § 10 Abs. 2 ErbStG dagegen nicht angewendet werden, weil die Bereicherung des Erwerbers um die ersparte Steuer nicht zum Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG gehört und daher keinen steuerpflichtigen Erwerb auslöst.[12]

 

Rz. 71

Bei Übernahme der Schenkungsteuer durch den Beschenkten bedarf es ggf. der Festlegung des Zeitpunkts, in dem die Steuer auf diese Schenkung entsteht. Das hat z. B. Bedeutung für den Fall, dass das Schenkungsversprechen in Bezug auf die vom Schenker zu übernehmende Steuer vor deren Entrichtung rückgängig ge...

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