1 Systematische Einordnung

Es gibt Regelungen in einigen DBA, wonach der Wohnsitzstaat eine bestimmte Quellensteuer auf seine Steuer anrechnen muss, unabhängig davon, wie hoch diese Quellensteuer im Ausland tatsächlich war. Hierbei handelt es sich um eine Subvention für ausgewählte Länder, indem die Kapitalanlage deutscher Investoren begünstigt wird. Die niedrigere ausl. Quellensteuer führt nicht zu einer geringeren Anrechnung und damit auch nicht zu einer höheren Steuerbelastung in Deutschland. Diese Regelungen haben als bilaterale Vereinbarungen Vorrang vor den nationalen Vorschriften und verdrängen insoweit die Regelungen zum Anrechnungshöchstbetrag in § 34c Abs. 1 EStG i. V. m. § 26 KStG ("Anrechnungsmethode").

2 Inhalt

Einige deutsche DBA, insbesondere mit sog. Entwicklungsländern, ordnen für die Quellensteuern auf Dividenden, auf Zinsen und teilweise auf Lizenzen die Anrechnung eines bestimmten Steuersatzes auf den Bruttobetrag der Zahlungen an. Dieser Satz gilt auch dann, wenn im Ausland eine niedrigere oder ggf. gar keine Quellensteuer erhoben wird. Beispielhaft sei auf folgende Regelungen verwiesen.[1]

  • Anrechnung aufgrund aufgeführter Rechtsvorschriften,
  • Anrechnung zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklungen des Quellenstaats, Anrechnungsbegrenzung auf den allgemein geltenden Steuersatz und
  • Anrechnung ohne besondere Voraussetzungen.

Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Attraktivität dieser Anlagen für inl. Investoren zu erhöhen. Zugleich wird damit gewährleistet, dass eine unilaterale Senkung der Quellensteuersätze nicht durch eine höhere Besteuerung in Deutschland kompensiert wird. Insoweit soll eine Aufteilung zwischen den Staaten erfolgen. Aus deutscher Sicht wird in solchen Regelungen ein Instrument der Entwicklungshilfe gesehen.

Die Anrechnung einer fiktiven ausl. Steuer ist maximal in Höhe der deutschen Steuer möglich. Folglich kann diese Regelung nicht zu einer Steuererstattung führen. Hingegen erhöht die fiktiv anzurechnende Steuer nicht die inl. Bemessungsgrundlage. Alternativ zur Anrechnung kann sich der Stpfl. für den Abzug nach § 34c Abs. 2 EStG i. V. m. § 26 KStG ("Abzugsmethode") entscheiden. In diesem Fall kann aber nicht die fiktive Quellensteuer abgezogen werden, sondern nur die tatsächlich gezahlte ausl. Quellensteuer. Eine solche Regelung kann etwa bei Verlusten im Inland vorteilhaft sein.

Können aus einem Staat Quellensteuern fiktiv angerechnet werden, so bleibt hiervon das Wahlrecht zur Anwendung der Abzugsmethode nach § 34c Abs. 2 EStG i. V. m. § 26 KStG ("Abzugsmethode") für andere Steuern aus diesem Staat unberührt, obwohl das Wahlrecht eigentlich für alle Einkünfte aus diesem Staat einheitlich ausgeübt werden muss.[2]

[2] OFD Frankfurt/M. v. 21.9.1995, S 2293a A – 1 – St II 2a, DB 1995, 2397 mit Verweis auf R 212c EStR 1993 (= R 34c EStR).

3 Praxisfragen

Die Vereinbarung der fiktiven Anrechnung in den DBA hat aus der Sicht eines Investors den Nachteil, dass diese Möglichkeit bei einer Änderung des DBA abgeschafft werden kann. So wurden z. B. DBA, die eine fiktive Anrechnung vorsahen, von der deutschen Regierung gekündigt.[1] Außerdem wurden die Regelungen zur fiktiven Anrechnung in einige neuere deutsche DBA nicht übernommen.[2] Hiermit ist aus der Sicht eines Investors Rechtsunsicherheit verbunden, die die wirtschaftlichen Risiken aus entsprechenden Investitionen erhöht.

[1] Zu nennen sind hierbei die DBA mit Brasilien und der Türkei.
[2] Z. B. DBA Ungarn v. 28.2.2011, DBA Türkei v. 19.9.2011.

4 Beratungshinweise

Da sich die Höhe der anzurechnenden Steuer bereits aus dem DBA ergibt, entfällt im Inland der Nachweis, inwieweit die Einkünfte im Ausland einer Besteuerung unterlagen. Dies gilt jedoch nicht für den Nachweis nach § 50d Abs. 9 EStG. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das DBA die Gewährung der höheren Quellensteueranrechnung von einer Mindestbesteuerung im Quellenstaat abhängig macht. In diesem Fall ist der Nachweis der Besteuerung die Voraussetzung für die Anrechnung der höheren Quellensteuer. In einigen DBA wird die fiktive Anrechnung davon abhängig gemacht, dass der Quellenstaat eine Steuersatzermäßigung in einem gewissen Umfang tatsächlich gewährt. In diesen Fällen kann auf den Besteuerungsnachweis und die Glaubhaftmachung der Vorzugsbesteuerung im Ausland nicht verzichtet werden.

In anderen DBA wird die fiktive Steueranrechnung an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft. Dies kann insbesondere das Überschreiten einer Mindestbeteiligungsquote oder das Erfüllen einer Aktivitätsklausel sein. In diesen Fällen sollte dafür gesorgt werden, dass diese Nachweise tatsächlich geführt werden können. Außerdem ist eine frühzeitige intensive Beschäftigung mit diesen Regelungen erforderlich, um deren Beachtung gewährleisten zu können.

Die fiktive Anrechnung hat auch Rückwirkungen auf den SolZ, der an die KSt anknüpft. Die höhere Anrechnung führt damit mittelbar zu weiteren Entlastungseffekten gegenüber der tatsächlichen Anrechnung.

Literaturtipps

Benecke/Schnitger, IStR 2003, 649

Grotherr, in Kleineidam...

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