Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlmöglichkeit der Steuerklassen III und IV für Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft; Anwendung des Rechtsschutzes der Aussetzung der Vollziehung bei Antrag auf Änderung der Steuerklasse in der Hauptsache

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zwischen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft bestehen nach Auffassung des Senates keine Unterschiede von solchem Gewicht, dass die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Vergleich zu Ehegatten im Hinblick auf die einkommensteuerliche Zusammenveranlagung und dem hiermit einhergehenden Lohnsteuerabzug anhand von bestimmten Steuerklassenkombinationen gerechtfertigt ist. Insbesondere ergibt sich eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen.

2. Der erkennende Senat hält den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gem. § 69 FGO hinsichtlich des Antrages in der Hauptsache auf Änderung der Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte für statthaft.

 

Normenkette

GG Art. 6 Abs. 1; EStG § 38b; FGO § 69; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller begehren im Wege der Aussetzung der Vollziehung die Änderung ihrer Lohnsteuerklassen dahingehend, dass sie als Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wie verheiratete Steuerpflichtige behandelt werden und deshalb die Kombination der Steuerklassen III und V wählen können.

Die nicht getrenntlebenden und unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Antragsteller haben am 05.08.2011 eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet. Beide Antragsteller erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Mit Schreiben vom 11.08.2011 beantragten die Antragsteller einen (sofortigen) Wechsel ihrer Steuerklassen dahingehend, dass der Antragsteller zu 1. von der Steuerklasse I in die Steuerklasse III und der Antragsteller zu 2. von der Steuerklasse I in die Steuerklasse V wechselt. Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 24.08.2011 für den Antragsteller zu 2. (Steuernummer … VST) und mit Bescheid vom 26.08.2011 für den Antragsteller zu 1. (Steuernummer … VST) ab. Zur Begründung führte der Antragsgegner jeweils aus, dass die Kombination der Steuerklassen III/V gem. § 38b EStG verheirateten unbeschränkt steuerpflichtigen Personen vorbehalten sei. Dabei könne eine Ehe nur zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts eingegangen werden. Lebenspartnern im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes stehe ein Wechsel in die Steuerklassen III und V nicht offen.

Mit Schreiben vom 07.09.2011 beantragten die Antragsteller den Wechsel der Steuerklassen in der vorgenannten Kombination III/V für das Kalenderjahr 2012. Mit getrennten Bescheiden vom 13.09.2011 wies der Antragsgegner die Anträge auf Wechsel der Steuerklassen jeweils zurück. Zur Begründung nahm der Antragsgegner jeweils Bezug auf die vorangegangenen Ablehnungen für das Jahr 2011 mit Bescheiden vom 24. und 26.08.2011.

Mit Schreiben vom 12.10.2011, beim Antragsgegner am 13.10.2011 eingegangen, erhoben die Antragsteller Einspruch gegen die beiden Bescheide vom 13.09.2011 und beantragten jeweils, die Ablehnung der Änderung der Lohnsteuerkarten gem. § 361 Abs. 2 Satz 1 AO von der Vollziehung auszusetzen, weil ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnungen der Anträge auf Wechsel der Steuerklassen bestünden.

Mit einer als Einspruchsentscheidung bezeichneten Verfügung vom 09.11.2011 lehnte der Antragsgegner die vom Antragssteller zu 1. beantragte Aussetzung der Vollziehung ab. Dabei führte er in der „Einspruchsentscheidung” als Streitgegenstand die „Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung (Änderung der Lohnsteuerklasse 2012)” auf. Im Tenor wies der Antragsgegner den Einspruch vom 13.10.2011 als unbegründet zurück. In den Gründen verhält sich die Verfügung jedoch im Wesentlichen nicht zur Hauptsache, dem Einspruch, sondern zum Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft keine Ehegatten seien und deshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für den Wechsel in die Steuerklasse III bzw. V nicht vorliegen würden. Der Antragsgegner sei hier an den Gesetzeswortlaut gebunden. Eine Abweichung sei (auch) im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung nicht möglich. Zudem sei bei einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, welcher auf die Verfassungswidrigkeit einer Norm gestützt werde, erforderlich, dass ein besonderes rechtliches Interesse an der Aussetzung gegeben sei. Dies sei vorliegend nicht vorgetragen und nicht erkennbar. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung führt der Antragsgegner aus, dass die Entscheidung nicht mit der Klage angefochten werden (§ 361 Abs. 5 AO, § 69 Abs. 7 FGO), sondern ein gerichtlicher Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden könne. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die als „Einspruchsentscheidung” bezeichnete Verfügung vom 09.11.2011 verwiesen.

Über den Antrag des Antragstellers zu 2. vom 13.10.2011 auf Auss...

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