Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmensberater kein Freiberufler. Kein Wechsel der Gewinnermittlungsart mit Wirkung für die Vergangenheit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Diplom-Chemikerin, die als Unternehmensberaterin im Bereich Wirtschafts- und Betriebsorganisationsberatung tätig ist und dabei mit der Erstellung von EDV-Konzepten betraut ist, übt weder eine einem Ingenieur ähnliche, noch eine einem beratendem Volks- oder Betriebswirt ähnliche Tätigkeit aus, sondern ist Gewerbetreibende.

2. Hat eine Steuerpflichtiger in der Annahme, Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erzielen, seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, so kann er auch dann nicht mit Wirkung für die Vergangenheit zur Gewinnermitllung nach § 4 Abs. 1 EStG übergehen, wenn sich herausstellt, dass er Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 3, 1; GewStG § 2 Abs. 1; FGO § 69

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob die Antragstellerin eine freiberufliche Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausübt.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom15. Oktober 2002 i. S. Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung, den Bericht über die Außenprüfung vom 31. Oktober 2001, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Antragstellerin (AStin) beantragt,

die Vollziehung der Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag 1996, 1997, 1998 und 1999 wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.

Der Antragsgegner (Finanzamt) beantragt,

den Antrag abzulehnen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298), und zwar aus folgenden Erwägungen:

1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die AStin keine freiberufliche Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt und damit ein gewerbliches Unternehmen gemäß § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) betreibt.

Der Gesetzgeber hat in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG einen detaillierten Katalog von unterschiedlichen freien Berufen aufgestellt. Nur wenn die von der AStin ausgeübte Tätigkeit unter einen dieser sog. Katalogberufe fällt oder die Tätigkeit einem konkreten Katalogberuf vergleichbar ist, erzielt sie Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.

a) Der von der AStin ausgeübte Beruf als Unternehmensberaterin ist als solcher keiner der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Katalogberufe. Die Tätigkeit der AStin fällt auch nicht unter den Katalogberuf des Ingenieurs und ist auch kein dem Ingenieur ähnlicher Beruf. Zwar hat sie als Diplom-Chemikerin ein Hochschulstudium in einem naturwissenschaftlichen Fach absolviert. Die Ausbildung in einem naturwissenschaftlichen Fach allein ist für die Qualifikation einer Tätigkeit als freier Beruf jedoch nicht ausreichend, sondern es muss auch der Schwerpunkt der Tätigkeit auf dem Gebiet eines Katalogberufs liegen (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 1999 XI B 63/98, BFH/NV 2000, 424). Der Schwerpunkt der Tätigkeit der AStin als Unternehmensberaterin liegt aber nicht auf naturwissenschaftlichem bzw. mathematisch-technischem Gebiet, sondern auf dem der Wirtschafts- und Betriebsorganisationsberatung, also auf einem Fachgebiet, das üblicherweise von Absolventen der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge besetzt wird. Dies ergibt sich aus den Ausgangsrechnungen der AStin, die für Beratung in Organisation und Informationsverarbeitung gestellt worden sind. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass zu ihren Aufgaben als Unternehmensberaterin – wie vorgetragen – auch die Erstellung von EDV-Konzepten und die Projektleitung bei der Realisierung dieser Konzepte gehört. Zwar mag es zutreffen, dass die vom BFH getroffene Unterscheidung, nach der nur die Systemsoftwareentwicklung, nicht aber die Anwendersoftwareentwicklung in einem für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich liegt (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87, BStBl II 1990, 337), nicht mehr gerechtfertigt ist, weil nach dem heutigen Stand der Technik die Entwicklung von Anwendungssoftware sowohl im Rahmen der Ausbildung wie auch in der Tätigkeit von Diplom-Ingenieuren und Diplom-Informatikern einen breiten Raum einnimmt und aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellungen hierfür oftmals hervorragende Kenntnisse der Ingenieurkunst erforderlich sind (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juli 2001 2 K 187/99, EFG 2001, 1449; Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Mai 2002 4 K 1375/01, EFG 2002, 1046). Anders als in den von den Finanzgerichten entschiedenen Fällen wurde die AStin aber von ihren Auftraggebern nicht primär damit beauftragt, eine konkrete Anwendersoftware zu entw...

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