rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Stellung eines AdV-Antrags beim Finanzgericht im Fall eines beim FA gestellten, noch nicht verbeschiedenen AdV-Antrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wurden aufgrund einer (noch nicht abgeschlossenen) Betriebsprüfung geänderte Steuerbescheide erlassen, Einsprüche eingelegt und Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt, so ist dem Finanzamt eine dreimonatige Bearbeitungszeit für den AdV-Antrag zuzubilligen, bevor der Kläger nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO schon vor einer Entscheidung des FA über den AdV-Antrag zulässigerweise beim Finanzgericht AdV beantragen kann.

2. Von einem „Drohen der Vollstreckung” als Voraussetzung für die Stellung eines AdV-Antrags bei Gericht (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO) kann weder allein deswegen ausgegangen werden, weil die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 254 AO vorliegen, noch deswegen, weil das FA zwischenzeitlich durch Umbuchungen teilweise mit den streitigen Ansprüchen aufgerechnet hat.

3. Die „Vollstreckung droht” auch dann noch nicht i. S. von § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO, wenn das FA zwar im automatisierten Verfahren eine Mahnung mit Vollstreckungsankündigung versandt hat, wenn der Kläger aber bereits einen noch nicht verbeschiedenen AdV-Antrag beim FA gestellt hat und dieser Antrag nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht offensichtlich aussichtslos ist bzw. nur auf ein Hinausschieben der Vollstreckung gerichtet ist; in einem solchen Fall ist es dem Kläger zuzumuten, nach dem Erhalt der Vollstreckungsankündigung zunächst das FA an den noch nicht verbeschiedenen AdV-Antrag zu erinnern, bevor das Gericht angerufen wird.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 4 Sätze 1, 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Sätze 2, 4; AO 1977 §§ 361, 254

 

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsgegner erließ unter dem 16. März 2005 Änderungsbescheide über Körperschaftsteuer, Zinsen und Solidaritätszuschlag zu dieser, Umsatzsteuer und Zinsen zu dieser sowie Gewerbesteuermessbeträge für 2000, 2001 und 2002. Die Bescheide ergingen in Auswertung eines Zwischenberichts im Rahmen einer noch nicht abgeschlossenen Außenprüfung.

Mit Schreiben vom 13. April 2005, welches beim Antragsgegner am selben Tage einging, beantragte die Antragstellerin, vertreten durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten, einen Fachanwalt für Steuerrecht, die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über Körperschaft- und Umsatzsteuer für 2000, 2001 und 2002 sowie Gewerbesteuermessbeträge für die nämlichen Jahre und legte gegen diese Bescheide zugleich Einspruch ein. Dabei setzte sie sich mit den Feststellungen des Zwischenberichts im einzelnen auseinander. Hinsichtlich der Einzelheiten des Schreibens wird auf dieses Bezug genommen.

Mit einem im Wege der elektronischen Datenverarbeitung automatisch erstelltem Schreiben vom 25. Mai 2005 an den Prozessbevollmächtigten, das bei diesem am folgenden Tage einging, forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, für sämtliche Streitjahre nach Abgabenart und Besteuerungszeitraum spezifizierte Beträge an Umsatzsteuer, Zinsen zu dieser sowie Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen zu dieser innerhalb einer Woche einschließlich der Säumniszuschläge zu entrichten. Auf diese Weise könne sie Vollstreckungsmaßnahmen vermeiden. Seine Vollstreckungsstelle sei verpflichtet, die Beträge zwangsweise einzuziehen. Falls die Antragstellerin der Zahlungsaufforderung nicht nachkomme, müsse er auf ihre Kosten die Vollstreckung durchführen. In einem Klammerzusatz gab er beispielhaft folgende Maßnahmen an: Pfändung von Sachen, des Arbeitseinkommens, von Bankkonten oder anderer Forderungen. Wenn sie Fragen zu der Anforderung habe, möge sie sich an ihr zuständiges Finanzamt wenden.

Eine vom Antragsgegner am 09. Juni 2005 erstellte Rückstandsanzeige weist an fälliger Umsatzsteuer für 2000 EUR 14.415,91 aus, während er EUR 16.682,31 angemahnt hatte. Der Unterschied geht auf eine Umbuchung durch den Antragsgegner zurück.

Der auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide mit Ausnahme der Gewerbesteuermessbescheide durch das Gericht gerichtete Antrag ging bei diesem am 10. Juni 2005 ein.

Am selben Tage ging beim Antragsgegner ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten ein, in dem er auf seinen an das Gericht gerichteten Antrag hinwies und zugleich daran erinnerte, dass der Antragsgegner weder über die Einsprüche noch über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden habe und bat, von Vollstreckungsmaßnahmen zumindest bis zur Entscheidung des Gerichts abzusehen.

Unter dem 28. Juni 2006 erließ die … geänderte Gewerbesteuerbescheide für 2000, 2001 und 2002.

Am 04. Juli 2005 ging die Erweiterung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide bei Gericht ein.

Unter dem 12. September 2005 erließ der Antragsgegner Änderungsbescheide, in denen er die festgesetzten Abgaben und festgestellten Besteuerungsgrundlagen unverändert ließ u...

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