rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerbefreiung für von Diplom-Psychologen mit Heilpraktikerbefugnis in Gruppenform durchgeführte Raucherentwöhnungsseminare

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Einnahmen aus von einem Diplom-Psychologen mit Heilpraktiker-Befugnis in fünfstündigen Gruppenveranstaltungen durchgeführten Raucherentwöhnungsseminaren können nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG steuerfrei sein, wenn u. a. individuell für jeden Teilnehmer durch Diagnosefragebögen und Fagerström-Test eine psychische Störung in Form der Tabaksucht festgestellt worden ist, demnach rund 91 % der Teilnehmer mittel bis stark tabaksüchtig sind, wenn das Raucherentwöhnungsprogramm nach der Beurteilung durch einen Experten inhaltlich systematisch theoriebasiert ist und alle Kriterien eines gruppentherapeutischen Interventionsprogramms aufweist, und wenn zudem auch eine individuelle Nachsorge angeboten wird.

2. Ebenfalls steuerfrei sind die Umsätze aus einer zusätzlich angebotenen Mesotherapie (u. a. auf die Linderung der Symptome des Nikotinentzugs gerichtete homöopathische Behandlung).

3. Die Steuerbefreiung hängt nicht davon ab, dass die Leistungen generell unter die sogenannten Präventionsprogramme gemäß § 20 SGB V fallen, dass die Kosten ggf. nicht von den Krankenkassen der Teilnehmer übernommen worden sind und die Therapien grundsätzlich ohne ärztliche Verschreibung erfolgt sind.

 

Normenkette

UStG 2007 § 4 Nr. 14 S. 1; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.c

 

Tenor

Die Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008 vom 29.09.2011 werden dahingehend geändert, dass für das Jahr 2007 die zu 19 v.H. steuerpflichtigen Umsätze um … EUR vermindert, zusätzlich steuerfreie Umsätze von … EUR berücksichtigt und die abzugsfähigen Vorsteuern um … EUR verringert werden und dass für das Jahr 2008 die zu 19 v.H. steuerpflichtigen Umsätze um … EUR vermindert, zusätzlich steuerfreie Umsätze von … EUR berücksichtigt und die abzugsfähigen Vorsteuern um … EUR verringert werden.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Diplom-Psychologe mit einer vom Bezirksamt C. im Jahr 1986 erteilten Heilkunde-Erlaubnis zur Psychotherapie. Er veranstaltete in seiner Praxis in C. in den Streitjahren 2007 und 2009 sowie in den Folgejahren Rauchentwöhnungsseminare unter dem Titel „…”. Streitig ist im vorliegenden Verfahren, ob der Kläger die Einnahmen aus den Seminaren mit 19 % Umsatzsteuer versteuern muss (so der Beklagte) oder ob er die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 S. 1 UmsatzsteuergesetzUStG – (Steuerfreiheit der Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut … oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit) geltend machen kann.

Bei den vom Kläger angebotenen Seminaren handelte es sich um fünfstündige Gruppenveranstaltungen, die an einem Tag abgehalten wurden. Die Teilnehmer meldeten sich aufgrund entsprechender Werbung des Klägers an und mussten für das Seminar ein Entgelt zwischen … EUR und … EUR bezahlen. Nach der Beschreibung in einer fachlichen Stellungnahme vom 14.11.2010 von B., Universität D., waren die Seminare so aufgebaut, dass zunächst die Motivation der aufhörwilligen Raucher gestärkt wurde, indem sie sich ausführlich mit allen möglichen Vorteilen des Nichtrauchens auseinandersetzten. Im nächsten Teil des Seminars (Wege aus der Abhängigkeit) seien die Teilnehmer ausführlich über die gesundheitlichen Risiken des Rauchens aufgeklärt und eine Analyse des persönlichen Rauchverhaltens vorgenommen worden. Dabei seien eingehend die psychologischen und physiologischen Effekte des Rauchens erläutert worden. Mit einer darauf folgenden Übung (Bedürfnis-Verknüpfungen lösen) hätten die Teilnehmer klar, einfach und am eigenen Beispiel die bedürfnis- und emotionsphysiologischen Ursachen von Rauchverhalten erfahren. Ebenso hätten sie erfahren, welche Bedürfnisse sie als Raucher mit dem Rauchen verknüpften, und es seien alternative Verhaltensweisen besprochen worden. Weiterhin sei die systematische Desensibilisierung zur Anwendung gekommen. Dabei seien typische Raucher-Suchtmuster erkannt, mehrfach ausgesprochen und dann noch zusätzlich zur Unterstützung MET (Meridian-Energie-Techniken) zur Stresslösung eingesetzt worden. Weiter hätten die Teilnehmer mit der Übung „Lösung von spezifischen Situations-Verknüpfungen” gelernt, Abschied von alten inneren Bildern zu nehmen, in denen eine bestimmte Situation mit dem Rauchen verknüpft gewesen sei, und sich in der Imagination die gleiche Situation jetzt rauchfrei vorzustellen, angereichert mit positiven Gefühlen. Am Ende des Programms seien im Sinne der Ressourcenaktivierung und Rückfallprävention in der Gruppe alternative Ve...

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