Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die Entgelte für die Überlassung eines Grundstücks zum Abbau von Bodenschätzen gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG als einkommenssteuerpflichtige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu qualifizieren, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3, 14

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 18.03.1986; Aktenzeichen IX R 62/85)

 

Gründe

1. Der Bundesfinanzhof hat entsprechend der jahrzehntelangen höchstrichterlichen Rechtsprechung in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, daß die Entgelte für die Überlassung eines Grundstücks zum Abbau von Bodenschätzen gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einkommensteuerpflichtig sind.

a) Die Abgrenzung zwischen Verkäufen von Bodenbestandteilen und der Verpachtung eines Grundstücks zum Zwecke der Ausbeutung von Bodenschätzen ist eine Frage des einfachen Rechts, die vom Bundesverfassungsgericht nicht vollständig nachgeprüft werden kann. Es ist nicht ersichtlich, daß die Gerichte im Ausgangsverfahren bei der Auslegung des Einkommensteuergesetzes und seiner Anwendung Bedeutung und Tragweite von Grundrechten völlig außer acht gelassen oder deren Umfang verkannt hätten (vgl. BVerfGE 29, 104 ≪112≫).

Bei den sogenannten Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG) wird der Gewinn durch einen Vermögensvergleich (vgl. § 4 Abs. 1 EStG) ermittelt. Zuwächse des Betriebsvermögens werden einkommensteuerlich ebenso wie die durch Veräußerung von Betriebsvermögen erzielten Gewinne erfaßt. Demgegenüber knüpft die Einkommensteuer bei den sogenannten Überschuß-Einkunftsarten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG) nicht an einen Bestandsvergleich an. Vielmehr werden die dem Steuerpflichtigen zugeflossenen Einnahmen (§ 8 Abs. 1 EStG) erfaßt. Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen des Privatvermögens werden nur in den Ausnahmefällen der §§ 17 und 23 EStG zur Einkommensteuer herangezogen.

Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen den nicht steuerbaren Verkäufen von Bodenbestandteilen und der steuerpflichtigen Verpachtung von Grundstücken im Privatvermögen ist, ob die Zahlungen ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach als Gegenleistung für die Überlassung eines Gegenstandes zum Gebrauch bzw. zur Nutzung erfolgen und ob hierbei das Herrschaftsrecht des Eigentümers ganz oder jedenfalls anteilig in seiner Substanz verlorengeht. Diese Abgrenzung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Nichtannahmebeschluß vom 24. Februar 1978 – 1 BvR 114/75 HFR 1978, S. 251).

b) Die unterschiedliche steuerliche Behandlung veräußerter Bodenbestandteile aus im Privatvermögen befindlichen Grundstücken gegenüber der Überlassung eines Grundstücks zur sukzessiven Ausbeute derartiger Bodenschätze ist hinreichend sachlich gerechtfertigt.

Die Veräußerung eines im Privatvermögen befindlichen Vorkommens wird von der Rechtsprechung nur ausnahmsweise als Kauf und als dementsprechend steuerlich irrelevante Vermögensumschichtung beurteilt (vgl. BFH, BStBl. III 1959 S. 5 ≪6≫; BStBl. III 1966 S. 364 ≪365≫; BStBl. II 1970 S. 210 ≪211≫; BFH, HFR 1965, S. 209). Die Rechtsprechung stellt keineswegs, wie die Beschwerdeführerin zum Nachweis eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz behauptet, auf die im vorhinein getroffene Vereinbarung ab, eine bestimmte Menge an Bodenschätzen zu übertragen. Vielmehr grenzt sie wie generell bei den Abbauverträgen nach dem wirtschaftlichen Gehalt und den Gesamtumständen der wirtschaftlichen Vereinbarung ab, ob der Grundstückseigentümer Inhaber des Herrschaftsrechts bleibt und ob die zeitlich begrenzte Überlassung zur Nutzung durch einen Dritten im Vordergrund steht.

c) Die steuerlich günstigere Behandlung der Abbauverträge bei Betriebsgrundstücken ist aus der unterschiedlichen steuerlichen Ermittlung bei den Gewinn- und Überschußeinkünften gerechtfertigt.

d) Ein Verstoß gegen Art. 14 GG ist nicht erkennbar. Eine Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG kommt offensichtlich nicht in Betracht. Die Substanzverringerung ist weder rechtlich noch tatsächlich unmittelbare Folge eines staatlichen Steuerzugriffs. Sie beruht ausschließlich auf der freiwilligen privatrechtlichen Abbauvereinbarung (vgl. BVerfGE 52, 1 ≪27 f.≫; 58, 300 ≪331 f.≫).

Nach ständiger Rechtsprechung (BVerfGE 4, 7 ≪17 ff.≫; 63, 312 ≪317≫; 63, 343 ≪368≫) kann die Auferlegung von Geldleistungspflichten allenfalls dann gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen, wenn sie den Steuerpflichtigen unverhältnismäßig trifft und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde. Dies trifft weder bei isolierter Betrachtung der Einkommensteuerbelastung noch bei Berücksichtigung der Gesamtsteuerbelastung mit der Vermögensteuer zu.

Bemessungsgrundlage für die Einkommenbesteuerung sind ausschließlich die Entgelte, von denen entsprechend dem im Einzelfall anzuwendenden Steuersatz nur ein Bruchteil an den Fiskus abzuführen ist (vgl. BVerfGE 50, 57 ≪104 f.≫). Ein Eingriff in die Substanz ist insoweit nicht denkbar. Zwischen der durch die Ausbeutung des Vorkommens eintretenden Substanzminderung und der Besteuerung der Entgelte besteht kein derartiger Zusammenhang, daß die Einkommensteuer selbst substanzmindernd eingreifen würde.

Auch die Steuerkonkurrenz zwischen Einkommensteuer und Vermögensteuer ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die aus dem Eigentum am Grundstück fließende Berechtigung, Bodenschätze abzubauen, wird nach § 100 Abs. 2 BewG wie ein Mineralgewinnungsrecht mit dem gemeinen Wert bewertet. Der Wert der Bodenschätze bildet die rechnerische Grundlage für die Bewertung dieses Rechts.

Der Vermögensertrag wird im Steuerrecht typischerweise zweifach belastet (vgl. Tipke, Lehrbuch zum Steuerrecht, 10. Aufl., S. 389; Kirchhof/Söhn, EStG, § 2 A S. 184). Allein deswegen ist von Verfassungs wegen keine Absetzung der gezahlten Vermögensteuer bei der Einkommensteuer geboten (BVerfGE 43, 1≪8≫).

Eine übermäßige Belastung durch Kumulierung beider Steuern liegt bereits deshalb nicht vor, weil auch die Gesamtsteuer die Entgelte nur anteilig belastet (vgl. auch Nichtannahmebeschluß des Bunderverfassungsgerichts vom 27. Oktober 1975 – 1 BvR 82/73 –; StRK, GG, Art. 14 R. 79).

2. Der Bundesfinanzhof konnte gemäß Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG in der Fassung vom 4. Juli 1985 (BGBl. I S. 1274) von einer weiteren sachlichen Begründung absehen. Der Bundesfinanzhof hatte sich bereits in einer zeitlich vor dem angegriffenen Urteil ergangenen und veröffentlichten Entscheidung mit den ebenfalls bereits veröffentlichten Bedenken der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt (vgl. BFH-NV 1985, S. 74 ≪75≫). Bereits der Ausgangspunkt der Verfassungsbeschwerde, jedenfalls

bei grundlegend neuen Bedenken müsse der Bundesfinanzhof sich entgegen dem BFH-Entlastungsgesetz sachlich damit auseinandersetzen, ist somit nicht gegeben.

Darüber hinaus läßt sich dem Grundgesetz ohnedies nicht entnehmen, daß jede, auch eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung mit einer Begründung versehen sein müßte (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪290≫; 65, 293 ≪295≫).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 34 Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

BB 1987, 598

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