Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Verlustabzugs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der auf bestimmte, durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Betriebsverluste beschränkte Verlustabzug ist sachlich gerechtfertigt und damit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Soweit bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise eine Einkunftsermittlung durch Vermögensvergleich vom Gesetz nicht zugelassen ist, können hier im Vergleich zu den Gewinneinkünften etwa auftretende Härten im Einzelfall nach § 131 AO (§ 227 AO 1977) ausgeglichen werden.

3. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung selbst ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, überhaupt einen Verlustausgleich zuzulassen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1, § 10d; AO § 131; AO 1977 § 227

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 23.11.1977; Aktenzeichen VIII R 102/75)

FG Nürnberg (Urteil vom 23.04.1975; Aktenzeichen I 87/74)

 

Gründe

1. Daß sich nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte Verluste aus Gewerbebetrieb, die nach § 10 d EStG a. F. vorgetragen werden konnten, aus dem Saldo von Verlusten und Gewinnen des Steuerpflichtigen aus einzelnen Gewerbebetrieben oder gewerblichen Beteiligungen zusammensetzen, verletzt keine Grundrechte der Beschwerdeführer.

Es trifft allerdings zu, daß der 1968 abzugsfähige Verlust erhöht worden wäre, wenn der Gewinn nicht bei einem gewerblichen Einzelunternehmen, sondern bei einer anderen Einkunftsart angefallen wäre. Dies ist indessen eine Folge davon, daß die Beschwerdeführer Verluste aus Vermietung und Verpachtung erlitten hatten, die nicht ausgeglichen werden konnten und nach § 10 d EStG a. F. nicht abgezogen werden durften.

2. § 10 d EStG a. F. beschränkte den Verlustabzug auf Verluste aus bestimmten Einkunftsarten, die durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt worden sind. Soweit danach der Verlustabzug ausgeschlossen war, blieb es beim Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung selbst ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, überhaupt einen Verlustausgleich zuzulassen.

Der Gesetzgeber kann den Abzug auch unterschiedslos für Verluste aus allen Einkunftsarten zulassen, wie dies inzwischen durch die Neufassung des § 10 d EStG aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 20. April 1976 (BGBl. I, 1054) geschehen ist. Wenn der Gesetzgeber den Verlustabzug nur bei Verlusten aus bestimmten Einkunftsarten zuließ, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sofern die Differenzierung auf sachlichen Gründen beruht.

a) Die Beschränkung des Verlustabzugs auf bestimmte, durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Betriebsverluste läßt sich damit rechtfertigen, daß nur der Betriebsvermögensvergleich eine periodengerechte Erfolgsermittlung gewährleistet (Einkommensteuer-Kommission, Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht [1964] Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, S. 163; FG Rheinland-Pfalz, EFG 1962, 245; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 10 d EStG Anm. 2). Soweit danach der Abzug eines Verlustes aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit in Frage steht, der nicht durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt worden ist, läßt sich dies nicht als verfassungswidrig beanstanden, weil es dem Steuerpflichtigen freigestanden hätte, die genauere Art der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zu wählen (BVerfG, Beschluß nach § 93 a Abs. 3 BVerfGG vom 10. Juli 1970 – 1 BvR 434/70 –).

b) Bei den anderen Einkunftsarten, insbesondere bei Vermietung und Verpachtung, ist jedoch, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, eine Einkunftsermittlung durch Vermögensvergleich vom Gesetz nicht zugelassen. Die Einkünfte müssen vielmehr in vereinfachter Weise durch Gegenüberstellung der zugeflossenen Einnahmen und der abgeflossenen Werbungskosten ermittelt werden. Wenn das Gesetz selbst in § 10 d EStG a. F. die vorgeschriebene Einkunftsermittlungsweise als für den Verlustabzug zu grob und ungenau bemäkelt und die so ermittelten Verluste vom Verlustabzug ausschließt, so kann dies im Vergleich zu den Verlusten bei den Gewinneinkunftsarten zu unbilligen Härten führen, die jedoch nach den Verhältnissen des Einzelfalles mit Hilfe von § 131 AO oder jetzt § 227 AO 1977 ausgeglichen werden können, wie dies bereits früher durch den diesen Fall ausdrücklich erfassenden § 56 Abs. 1 Satz 3 EStG 1925 i. d. F. von 1929 geregelt war (vgl. auch Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 9. Juli 1929, RStBl. 1929, 415 [416]).

Es kann daher im Einzelfall auch hier geprüft werden, ob ein Steuererlaß aus Billigkeitsgründen nach § 131 AO (jetzt § 227 AO 1977) zu gewähren ist (Hess. FG, EFG 1964, 280; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 10 d EStG Anm. 2 a. E.). Dies kann in einem besonderen Verfahren geschehen. Dabei können die Beschwerdeführer auch geltend machen, daß ein Steuererlaß verfassungsrechtlich geboten erscheint (vgl. BVerfGE 43, 1[12]).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1641731

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