Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörung gemäß Art. 1 Nr. 7 Satz 2 BFHEntlG ohne gleichzeitigen Hinweis auf die Rechtsansicht des Gerichts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die gemäß Art. 1 Nr. 7 Satz 2 BFHEntlG gebotene Unterrichtung und Anhörung muß auch unter dem Blickwinkel des Art. 103 Abs. 1 GG keinen Hinweis auf die Rechtsansicht des Gerichts enthalten.

2. Aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot und mit Rücksicht auf die Bindung des Richters an Gesetz und Recht ergibt sich auch für letztinstanzliche Entscheidungen eine Begründungspflicht insoweit, als von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen werden soll und sich der Grund hierfür nicht hinreichend aus den den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Besonderheiten des Falles bestimmen läßt.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 19.09.1989; Aktenzeichen IV R 24/88)

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Weder haben die Beschwerdeführer Gesichtspunkte vorgetragen noch sind solche ersichtlich, die den Bundesfinanzhof abweichend von der Regelung des Art. 1 Nr. 7 des BFH-Entlastungsgesetzes von Verfassungs wegen, insbesondere unter Beachtung des Art. 103 Abs. 1 GG, verpflichtet haben könnten, den Beschluß mit einer weitergehenden Begründung zu versehen. Das in Art. 1 Nr. 7 des BFH-Entlastungsgesetzes festgelegte vereinfachte Verfahren bei Revisionsentscheidungen unterliegt dem Grundsatz nach keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, denn letztinstanzliche Entscheidungen müssen nicht in jedem Fall begründet werden (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪289 f.≫). Dabei gilt, daß die gemäß Art. 1 Nr. 7 Satz 2 BFH-Entlastungsgesetz gebotene Unterrichtung und Anhörung auch unter dem Blickwinkel des Art. 103 Abs. 1 GG keinen Hinweis auf die Rechtsansicht des Gerichts enthalten muß (vgl. BVerfGE 74, 1 ≪4 ff.≫).

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht eine Begründung unter bestimmten Voraussetzungen auch bei letztinstanzlichen Entscheidungen gefordert. So ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot und mit Rücksicht auf die Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) eine Begründungspflicht insoweit, als von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen werden soll und sich der Grund hierfür nicht hinreichend aus den den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Besonderheiten des Falles bestimmen läßt. Auch wenn ein Gericht von der Auslegung einer Norm des einfachen Rechts abweicht, die die höchstrichterliche Rechtsprechung ihr bislang gegeben hat, führt dies zur Annahme eines Verfassungsverstoßes, wenn sich eine Rechtfertigung hierfür weder aus den Entscheidungsgründen noch aus den übrigen Umständen des Falles entnehmen läßt (vgl. BVerfGE 71, 122 ≪135 f.≫; 81, 97 ≪106≫).

Die Beschwerdeführer tragen indessen lediglich vor, daß ein im Rahmen des Revisionsverfahrens vorgelegtes Gutachten nicht in einer für die Beschwerdeführer erkennbaren Art und Weise gewürdigt worden sei. Sie behaupten nicht, daß der Bundesfinanzhof nur willkürlich zu seinem Entscheidungsergebnis habe gelangen können. Anhaltspunkte in diesem Sinne sind auch nicht erkennbar. Für die Annahme eines Verfassungsverstoßes fehlt somit jegliche Grundlage.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1512201

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